BEYOND THE ADVANCED PSYCHIATRIC SOCIETY- A COLLECTIVE RESEARCH/ OLTRE LA SOCIETA' PSICHIATRICA AVANZATA- UNA RICERCA COLLETTIVA


cerca nel blog

giovedì 21 aprile 2011

Max Weber- “Wirtschaft und Gesellschaft” (1922), Dritter Teil: La burocrazia



Kapitel VI.
Bürokratie.

Merkmale der Bürokratie S.650. — Stellung des Beamten S.650. — Die Voraussetzungen und Gründe der Bürokratisierung: 1. die geldwirtschaftlichen und finanziellen S.656; 2. die quantitative Entfaltung der Verwaltungsaufgaben S.658; 3. ihre qualitativen Wandlungen S.659; 4. technische Vorzüge der bürokratischen Organisation S.660; 5. die Konzentration der Verwaltungsmittel: S.665; 6. Nivellierung der sozialen Unterschiede S.666. — Dauercharakter des bürokratischen Apparates S.668. — Wirtschaftliche und soziale Folgen der Bürokratisierung S.670. — Die Machtstellung der Bürokratie S.671. —Entwicklungsstufen: S.673. — »Rationalisierung« der Bildung und Erziehung S675. 


Die spezifische Funktionsweise des modernen Beamtentums drückt sich in folgendem aus:
I. Es besteht das Prinzip der festen, durch Regeln: Gesetze oder Verwaltungsreglements generell geordneten behördlichen Kompetenzen, d.h.: 1. Es besteht eine feste Verteilung der für die Zwecke des bürokratisch beherrschten Gebildes erforderlichen, regelmäßigen Tätigkeiten als amtlicher Pflichten; — 2. Die für die Erfüllung dieser Pflichten erforderlichen Befehlsgewalten sind ebenfalls fest verteilt und in den ihnen etwa zugewiesenen (physischen oder sakralen oder sonstigen) Zwangsmitteln durch Regeln fest begrenzt; — 3. Für die regelmäßige und kontinuierliche Erfüllung der so verteilten Pflichten und die Ausübung der entsprechenden Rechte ist planmäßige Vorsorge getroffen durch Anstellung von Personen mit einer generell geregelten Qualifikation.
Diese drei Momente konstituieren in der öffentlichrechtlichen Herrschaft den Bestand einer bürokratischen »Behörde «, in den privatwirtschaftlichen den eines bürokratischen »Betriebes«. In diesem Sinn ist diese Institution in den politischen und kirchlichen Gemeinschaften erst im modernen Staat, in der Privatwirtschaft erst in den fortgeschrittensten Gebilden des Kapitalismus voll entwickelt. Kontinuierliche Behörden mit fester Kompetenz sind auch in so umfangreichen politischen Bildungen wie denen des alten Orients, ebenso in den germanischen und mongolischen Eroberungsreichen und in vielen feudalen Staatsbildungen nicht die Regel, sondern die Ausnahme. Gerade die wichtigsten Maßregeln vollzieht der Herrscher dort durch persönliche Vertraute, Tischgenossen oder Hofbedienstete mit für den Einzelfall zeitweilig geschaffenen und nicht fest begrenzten Aufträgen und Befugnissen.
II. Es besteht das Prinzip der Amtshierarchie und des Instanzenzuges, d.h. ein fest geordnetes System von Über- und Unterordnung der Behörden unter Beaufsichtigung der unteren durch die oberen, — ein System, welches zugleich dem Beherrschten die fest geregelte Möglichkeit bietet, von einer unteren Behörde an deren Oberinstanz zu appellieren. Bei voller Entwicklung des Typus ist diese Amtshierarchie monokratisch geordnet. Das Prinzip des hierarchischen Instanzenzuges findet sich ganz ebenso wie bei staatlichen und kirchlichen auch bei allen anderen bürokratischen Gebilden, etwa großen Parteiorganisationen und privaten
Großbetrieben, gleichviel ob man deren private Instanzen auch »Behörden« nennen will. Bei voller Durchführung des »Kompetenz«prinzips ist aber, wenigstens in den öffentlichen Ämtern, die hierarchische Unterordnung nicht gleichbedeutend mit der Befugnis der »oberen« Instanz, die Geschäfte der »unteren« einfach an sich zu ziehen. Das Gegenteil bildet die Regel und daher ist im Fall der Erledigung eines einmal eingesetzten Amts dessen Wiederbesetzung unverbrüchlich.
III. Die moderne Amtsführung beruht auf Schriftstücken (Akten), welche in Urschrift oder Konzept aufbewahrt werden, und auf einem Stab von Subalternbeamten und Schreibern aller Art. Die Gesamtheit der bei einer Behörde tätigen Beamten mit dem entsprechenden Sachgüter- und Aktenapparat bildet ein »Büro« (in Privatbetrieben oft »Kontor« genannt). Die moderne Behördenorganisation trennt grundsätzlich das Büro von der Privatbehausung. Denn sie scheidet überhaupt die Amtstätigkeit als gesonderten Bezirk von der privaten Lebenssphäre, die amtlichen Gelder und Mittel von dem Privatbesitz des Beamten. Dies ist ein Zustand, der überall erst Produkt einer langen Entwicklung ist. Heute findet es sich ganz ebenso in öffentlichen wie privatwirtschaftlichen Betrieben, und zwar erstreckt er sich in diesen auch auf den leitenden Unternehmer selbst. Kontor und Haushalt, geschäftliche und Privatkorrespondenz, Geschäftsvermögen und Privatvermögen sind, je folgerechter der moderne Typus der Geschäftsgebarung durchgeführt ist — die Ansätze finden sich schon im Mittelalter — prinzipiell geschieden. Man kann ganz ebenso als die Besonderheit des modernen Unternehmers hinstellen: daß er sich als »ersten Beamten« seines Betriebes geriere, wie der Beherrscher eines spezifisch bürokratischen modernen Staates sich als dessen »ersten Diener« bezeichnete. Die Vorstellung, daß staatliche Bürotätigkeit und privatwirtschaftliche Kontortätigkeit etwas innerlich wesensverschiedenes seien, ist europäisch-kontinental und den Amerikanern im Gegensatz zu uns gänzlich fremd.
IV. Die Amtstätigkeit, mindestens alle spezialisierte Amtstätigkeit — und diese ist das spezifisch Moderne — setzt normalerweise eine eingehende Fachschulung voraus. Auch dies gilt zunehmend vom modernen Leiter und Angestellten eines privatwirtschaftlichen Betriebs ganz ebenso wie von den staatlichen Beamten.
V. Beim vollentwickelten Amt nimmt die amtliche Tätigkeit die gesamte Arbeitskraft des Beamten in Anspruch, unbeschadet des Umstandes, daß das Maß seiner pflichtmäßigen Arbeitszeit auf dem Büro fest begrenzt sein kann. Dies ist als Normalfall ebenfalls erst Produkt einer langen Entwicklung im öffentlichen wie privatwirtschaftlichen Amt. Das Normale war früher in allen Fällen umgekehrt die »nebenamtliche« Erledigung der Geschäfte.
VI. Die Amtsführung der Beamten erfolgt nach generellen, mehr oder minder festen und mehr oder minder erschöpfenden, erlernbaren Regeln. Die Kenntnis dieser Regeln stellt daher eine besondere Kunstlehre dar (je nachdem: Rechtskunde, Verwaltungslehre, Kontorwissenschaft), in deren Besitz die Beamten sich befinden.
Die Regelgebundenheit der modernen Amtsführung ist so sehr in ihrem Wesen begründet, daß die
moderne wissenschaftliche Theorie z.B. annimmt: eine gesetzlich einer Behörde eingeräumte Befugnis zur
Ordnung bestimmter Materien durch Verordnung berechtige diese nicht zur Regelung durch Einzelbefehle
von Fall zu Fall, sondern nur zur abstrakten Regelung, — der äußerste Gegensatz gegen die, wie wir sehen
werden, z.B. für den Patrimonialismus schlechthin beherrschende Art der Regelung aller nicht durch
heilige Tradition festgelegten Beziehungen durch individuelle Privilegien und Gnadenverleihungen. —
Für die innere und äußere Stellung der Beamten hat dies alles folgende Konsequenzen:
I. Das Amt ist »Beruf «. Dies äußert sich zunächst in dem Erfordernis eines fest vorgeschriebenen, meist die ganze Arbeitskraft längere Zeit hindurch in Anspruch nehmenden Bildungsganges und in generell vorgeschriebenen Fachprüfungen als Vorbedingungen der Anstellung. Ferner in dem Pflichtcharakter der Stellung des Beamten, durch welchen die innere
Struktur seiner Beziehungen folgendermaßen bestimmt wird: die Innehabung eines Amts wird rechtlich und faktisch nicht als Besitz einer gegen Erfüllung bestimmter Leistungen ausbeutbaren Renten- oder Sportelquelle — wie normalerweise im Mittelalter und vielfach bis an die Schwelle der neusten Zeit — und auch nicht als ein gewöhnlicher entgeltlicher Austausch von Leistungen, wie im freien Arbeitsvertrag, behandelt. Sondern der Eintritt in das Amt gilt auch in der Privatwirtschaft als Übernahme einer spezifischen Amtstreuepflicht gegen Gewährung einer gesicherten Existenz. Für den spezifischen Charakter der modernen Amtstreue ist entscheidend, daß sie, beim reinen Typus, nicht — wie z.B. im feudalen öder patrimonialen Herrschaftsverhältnis — eine Beziehung zu einer Person nach Art der Vasallen- oder Jüngertreue herstellt, sondern, daß sie einem unpersönlichen sachlichen Zweck gilt. Hinter diesem sachlichen Zweck pflegen natürlich, ihn ideologisch verklärend, als Surrogat des irdischen oder auch überirdischen persönlichen Herren, in einer Gemeinschaft realisiert gedachte »Kulturwertideen«: »Staat«, »Kirche«, »Gemeinde«, »Partei«, »Betrieb« zu stehen. Der politische Beamte z.B. gilt, wenigstens im vollentwickelten modernen Staat nicht als ein persönlicher Bediensteter eines Herrschers. Aber auch der Bischof, Priester, Prediger, ist der Sache nach heute nicht mehr, wie in urchristlicher Zeit, Träger eines rein persönlichen Charisma, dessen überweltliche Heilsgüter er in [persönlichem Auftrag jenes Herrn und im Prinzip nur ihm verantwortlich, jedem darbietet, der ihrer würdig scheint und darnach verlangt. Sondern er ist, trotz des teilweisen Fortlebens der alten Theorie, ein Beamter im Dienste eines sachlichen Zwecks geworden, welcher in der heutigen »Kirche« zugleich versachlicht und auch wieder ideologisch verklärt ist.
II. Die persönliche Stellung des Beamten gestaltet sich bei all dem folgendermaßen:
1. Auch der moderne, sei es öffentliche, sei es private, Beamte erstrebt immer und genießt meist den Beherrschten gegenüber eine spezifisch gehobene, »ständische« soziale Schätzung. Seine soziale Stellung ist durch Rangordnungsvorschriften und, bei politischen Beamten, durch besondere strafrechtliche Bestimmungen für »Beamtenbeleidigungen«, »Verächtlichmachung« staatlicher und kirchlicher Behörden usw. garantiert. Die tatsächliche soziale Stellung der Beamten ist am höchsten normalerweise da, wo in alten Kulturländern ein starker Bedarf nach fachgeschulter Verwaltung besteht, zugleich starke und nicht labile soziale Differenzierung herrscht und der Beamte nach der sozialen Machtverteilung oder infolge der Kostspieligkeit der vorgeschriebenen Fachbildung und der ihn bindenden Standeskonventionen vorwiegend den sozial und ökonomisch privilegierten Schichten entstammt. Der an anderer Stelle zu erörternde Einfluß der Bildungspatente, an deren Besitz die Qualifikation zum Amt gebunden zu sein pflegt, steigert naturgemäß das »ständische« Moment in der sozialen Stellung der Beamten. Es findet im übrigen vereinzelt — so im deutschen Heere — eine eindrucksvolle ausdrückliche Anerkennung in der Vorschrift, daß die Aufnahme unter die Aspiranten der Beamtenlaufbahn von der Zustimmung (»Wahl«) der Mitglieder des Beamtenkörpers (Offizierskorps) abhängt. Ähnliche, eine zunftartige Abschließung der Beamtenschaft fördernde, Erscheinungen finden sich typisch auf dem Boden des patrimonialen, speziell präbendalen Beamtentums der Vergangenheit. Bestrebungen, sie in umgestalteter Form wiederentstehen zu lassen, sind in der modernen Beamtenherrschaft keineswegs ganz selten und spielten z.B. auch in Forderungen der stark proletarisierten Fachbeamten (»tretyj element«) während der russischen Revolution eine Rolle.
Die soziale Schätzung der Beamten als solcher pflegt besonders gering da zu sein, wo —wie oft in Neusiedelungsgebieten — vermöge des großen Erwerbsspielraums und der starken Labilität der sozialen Schichtung sowohl der Bedarf an fachgeschulter Verwaltung wie die Herrschaft ständischer Konventionen besonders schwach sind. So namentlich in den Vereinigten Staaten.
2. Der reine Typus der bürokratischen Beamten wird von einer übergeordneten Instanz ernannt. Ein von den Beherrschten gewählter Beamter ist keine rein bürokratische Figur mehr. Natürlich bedeutet das formelle Bestehen einer Wahl noch nicht, daß dahinter sich nicht dennoch eine Ernennung verbirgt: innerhalb des Staats insbesondere durch die Parteichefs. Ob dem so ist, hängt nicht von den Staatsrechtssätzen, sondern von der Art des Funktionierens der Parteimechanismen ab, welche, wo sie fest organisiert bestehen, die formal freie Wahl in eine bloße Akklamation eines vom Chef der Partei designierten Kandidaten, regelmäßig aber in einen nach bestimmten Regeln sich abspielenden Kampf um die Stimmen für einen von zwei designierten Kandidaten verwandeln können. Unter allen Umständen aber modifiziert die Bezeichnung der Beamten durch Wahl der Beherrschten die Straffheit der hierarchischen Unterordnung. Ein durch Wahl der Beherrschten ernannter Beamter steht den ihm im Instanzenzug übergeordneten Beamten gegenüber grundsätzlich selbständig da, denn er leitet seine Stellung nicht »von oben«, sondern »von unten« her oder doch nicht von der ihm in der Amtshierarchie vorgesetzten Instanz als solcher, sondern von den Parteimachthabern (Bossen) ab, die auch seine weitere Karriere bestimmen. Er ist in seiner Karriere nicht oder nicht in erster Linie von seinen Vorgesetzten innerhalb des Verwaltungsdienstes abhängig. Der nicht gewählte, sondern von einem Herren ernannte Beamte funktioniert normalerweise, rein technisch betrachtet, exakter, weil, unter sonst gleichen Umständen, mit größerer Wahrscheinlichkeit rein fachliche Gesichtspunkte und Qualitäten seine Auslese und seine Karriere bestimmen. Die Beherrschten als Nichtfachmänner können das Maß der fachmännischen Qualifikation eines Amtskandidaten erst an der Hand der gemachten Erfahrungen, also nachträglich, kennen lernen. Parteien vollends pflegen ganz naturgemäß bei jeder Art von Bestellung der Beamten durch Wahl — sei sie eine Designation der formell frei gewählten Beamten durch Parteigewalthaber bei Herstellung der Kandidatenliste oder sei sie eine freie Ernennung durch den seinerseits gewählten Chef — nicht fachliche Gesichtspunkte sondern die Gefolgschaftsdienste gegenüber dem Parteigewalthaber ausschlaggebend sein zu lassen. Allerdings ist der Gegensatz relativ. Denn der Sache nach Gleichartiges gilt auch da, wo legitime Monarchen und deren Untergebene die Beamten ernennen, nur daß hier die Gefolgschaftseinflüsse unkontrollierbarer sind. Da, wo der Bedarf nach fachlich geschulter Verwaltung bedeutend ist oder wird, wie jetzt auch in den Vereinigten Staaten, und wo die Parteigefolgschaften mit einer intellektuell stark entwickelten, geschulten und sich frei bewegenden »öffentlichen Meinung« rechnen müssen (die freilich in den Vereinigten Staaten jetzt überall da fehlt, wo das Einwandererelement in den Städten als »Stimmvieh« fungiert) —fällt die Anstellung unqualifizierter Beamten auf die herrschende Partei bei den Wahlen zurück, naturgemäß besonders dann, wenn die Beamten vom Chef ernannt werden. Die Volkswahl nicht nur des Verwaltungschefs, sondern auch der ihm unterstellten Beamten pflegt daher, wenigstens bei großen und schwer übersehbaren Verwaltungskörpern, neben der Schwächung der hierarchischen Abhängigkeit, auch die Fachqualifikation der Beamten und das präzise Funktionieren des bürokratischen Mechanismus stärker zu gefährden. Bekannt war die überlegene Qualifikation und Integrität der vom Präsidenten ernannten Bundesrichter gegenüber den gewählten Richtern in den Vereinigten Staaten, obwohl beide Arten von Beamten in erster Linie nach Parteirücksichten ausgewählt wurden. Die großen, von den Reformern geforderten Umgestaltungen der großstädtischen Kommunalverwaltung dagegen gingen in Amerika im wesentlichen alle von gewählten Mayors aus, die mit einem von ihnen ernannten Beamtenapparat — also: »cäsaristisch« — arbeiteten. Die Leistungsfähigkeit des oft aus der Demokratie herauswachsenden »Cäsarismus« als Herrschaftsorganisation beruht überhaupt technisch betrachtet, auf der Stellung des »Cäsar« als freien, traditionsentbundenen Vertrauensmannes der Massen (des Heeres oder der Bürgerschaft) und als eben deshalb uneingeschränkten Herren eines von ihm persönlich frei und ohne Hinblick auf Tradition und andere Rücksichten ausgelesenen Stammes von höchstqualifizierten Offizieren und Beamten. Diese »Herrschaft des persönlichen Genies« steht aber mit dem formal »demokratischen« Prinzip des durchgängigen Wahlbeamtentums im Widerspruch.
3. Es besteht, wenigstens in den öffentlichen und in den ihnen nächststehenden bürokratischen Gebilden, zunehmend aber auch in anderen, normalerweise Lebenslänglichkeit der Stellung, welche als faktische Regel auch da vorausgesetzt wird, wo Kündigung oder periodische Neubestätigung vorkommen. Auch im Privatbetrieb kennzeichnet dies normalerweise den Beamten im Gegensatz zum Arbeiter. Diese rechtliche oder faktische Lebenslänglichkeit gilt jedoch nicht, wie in vielen Herrschaftsformen der Vergangenheit, als ein »Besitzrecht« des Beamten am Amt. Sondern wo — wie bei uns für alle rechtlichen und zunehmend auch für Verwaltungsbeamte — Rechtsgarantien gegen willkürliche Absetzung oder Versetzung entstanden, haben sie lediglich den Zweck: eine Garantie für die streng sachliche, von persönlichen Rücksichten freie Ableistung der betreffenden spezifischen Amtspflicht zu bieten. Innerhalb der Bürokratie ist daher auch das Maß der durch jene Rechtsgarantie gewährten »Unabhängigkeit« keineswegs immer eine Quelle gesteigerter konventioneller Schätzung des derart gesicherten Beamten. Oft, speziell in Gemeinschaften mit alter Kultur und sozialer Differenzierung, das Gegenteil. Denn da die Unterordnung unter die Willkür des Herren, je straffer sie ist, desto mehr auch die Aufrechterhaltung des konventionellen Herrenstils der Lebensführung gewährleistet, so kann die konventionelle Schätzung des Beamten gerade infolge des Fehlens jener Rechtsgarantien ganz ebenso steigen, wie im Mittelalter die Schätzung der Ministerialen auf Kosten der Freien, des Königsrichters auf Kosten des Volksrichters. Der Offizier oder Verwaltungsbeamte ist bei uns teils jederzeit, teils jedenfalls weit leichter aus dem Amt zu entfernen als der »unabhängige« Richter, den auch der gröbste Verstoß etwa gegen den »Ehrenkodex« oder gegen gesellschaftliche Salonkonventionen niemals das Amt zu kosten pflegt. Aus eben diesem Grunde aber ist die »Gesellschaftsfähigkeit« des Richters in den Augen der Herrenschicht unter sonst gleichen Umständen geringer als die jener Beamten, deren größere Abhängigkeit vom Herrn eine stärkere Garantie für die »Standesgemäßheit« ihrer Lebensführung ist. Der Durchschnitt der Beamten selbst erstrebt naturgemäß ein »Beamtenrecht«, welches, neben materieller Sicherstellung im Alter, auch die Garantien gegen willkürliche Entziehung des Amts erhöht.  Indessen hat dies Streben seine Grenze. Eine sehr starke Entwicklung des »Rechts auf das Amt« erschwert naturgemäß die Besetzung der Ämter nach technischen Zweckmäßigkeitsrücksichten und auch die Karrierechancen strebsamer Anwärter. Dieser Umstand, außerdem aber und in erster Linie die Neigung, lieber von ihresgleichen als von den sozial untergeordneten Beherrschten abzuhängen, führt dazu, daß die Beamten im ganzen die Abhängigkeit »von oben« nicht schwer empfinden. Die jetzige konservative Bewegung unter den Geistlichen Badens, anläßlich der Angst vor der vermeintlich drohenden Trennung von Staat und »Kirche«, war ausgesprochenermaßen bedingt, durch den Wunsch, nicht »aus einem Herren ein Diener der Gemeinde zu werden«.
4. Der Beamte bezieht regelmäßig Geld entlohnung in Gestalt eines normalerweise festen Gehalts und Alterssicherung durch Pension. Der Gehalt ist der lohnartigen Abmessung !lach der Leistung im Prinzip entzogen, vielmehr »standesgemäß«, d.h. nach der Art der Funktionen (dem »Rang«) und daneben eventuell nach der Dauer der Dienstzeit bemessen. Die relativ große Sicherheit der Versorgung des Beamten und daneben der in der sozialen Schätzung liegende Entgelt machen in Ländern mit nicht mehr kolonialen Erwerbschancen das Amt gesucht und gestatten daher dort eine verhältnismäßig meist niedrige Bemessung seines Gehalts.
5. Der Beamte ist, entsprechend der hierarchischen Ordnung der Behörden, auf eine »Laufbahn« von den unteren minder wichtigen und minder bezahlten Stellen zu den oberen eingestellt. Der Durchschnitt der Beamten erstrebt naturgemäß die möglichst mechanische Fixierung der Bedingungen des Aufrückens, wenn nicht in die Ämter, dann in die Gehaltsstufen nach der »Anciennität«, eventuell, bei entwickeltem Fachprüfungswesen, unter Berücksichtigung der Fachprüfungsnote — welche demgemäß hie und da in der Tat einen lebenslänglich nachwirkenden Charakter indelebilis des Beamten bildet. In Verbindung mit der erstrebten Stärkung des Rechts auf das Amt und der zunehmenden Tendenz zur berufsständischen Entwicklung und zur ökonomischen Sicherung der Beamten bewegt sich diese Entwicklung in der Richtung zur Behandlung der Ämter als »Pfründen« der durch Bildungspatent Qualifizierten. Die Notwendigkeit, die allgemeine persönliche und geistige Qualifikation unabhängig von dem oft subalternen Merkmal des Fachbildungspatents zu berücksichtigen, hat dahin geführt, daß durchweg gerade die höchsten politischen Ämter, insbesondere die »Minister«-Posten, grundsätzlich unabhängig von Bildungspatenten besetzt werden. —
Die sozialen und ökonomischen Voraussetzungen dieser modernen Gestaltung des Amtes sind:
I. Entwicklung der Geldwirtschaft, soweit die heute durchaus vorherrschende Geldentlohnung der Beamten in Betracht kommt. Diese ist für den gesamten Habitus der Bürokratie von sehr großer Wichtigkeit. Allerdings ist sie allein keineswegs entscheidend für deren Existenz. Die quantitativ größten historischen Beispiele eines einigermaßen deutlich entwickelten Bürokratismus sind: a) Ägypten in der Zeit des neuen Reichs, jedoch mit stark patrimonialem Einschlag; — b) der spätere römische Prinzipat, insbesondre aber die diokletianische Monarchie und das aus ihr entwickelte byzantinische Staatswesen, jedoch mit starken feudalen und patrimonialen Einschlägen; — c) die römisch-katholische Kirche, zunehmend seit dem Ende des 13. Jahrhunderts; — d) China von den Zeiten Shi-hoang-ti’s bis in die Gegenwart, aber mit stark patrimonialem und präbendalem Einschlag; — e) in immer reinerer Form der moderne europäische Staat und zunehmend alle öffentlichen Körperschaften seit der Entwicklung des fürstlichen Absolutismus; — f) der moderne kapitalistische Großbetrieb, je größer und komplizierter er ist, desto mehr. Die Fälle a) bis d) ruhen in sehr starkem Maße, teilweise überwiegend, auf Naturalienentlohnung der Beamten. Sie zeigen dennoch viele der charakteristischen Züge und Wirkungen der Bürokratie. Das historische Muster aller späteren Bürokratien — das neue Reich in Ägypten — ist zugleich eines der großartigsten Beispiele naturalwirtschaftlicher Organisation. Dies Zusammentreffen erklärt sich allerdings hier aus durchaus eigenartigen Bedingungen. Denn im ganzen sind die sehr erheblichen Einschränkungen, welche man bei der Zurechnung jener Gebilde zum Bürokratismus machen muß, eben durch die Naturalwirtschaft bedingt. Ein gewisser Grad geldwirtschaftlicher Entwicklung ist normale Voraussetzung wenn nicht für die Schaffung, dann für den unveränderten Fortbestand rein bürokratischer Verwaltungen. Denn ohne sie ist es nach geschichtlicher Erfahrung kaum vermeidbar, daß die bürokratische Struktur ihr inneres Wesen stark verändert oder geradezu in eine andere umschlägt. Schon die Zuweisung von festen Naturaldeputaten aus den Vorräten in den Speichern des Herrn oder aus dessen laufenden Naturaleinkünften, wie sie in Ägypten und China jahrtausendelang herrschte, dann in der spätrömischen Monarchie und auch sonst eine bedeutende Rolle gespielt hat, bedeutet leicht einen ersten Schritt zur Aneignung der Steuerquellen und deren Nutzung als eigenen Privatbesitz durch die Beamten. Die Naturaliendeputate schützen den Beamten gegen die oft schroffen Schwankungen der Kaufkraft des Geldes. Gehen aber die auf Naturalsteuern ruhenden Bezüge, wie es in jedem Fall eines Nachlassens der Anspannung der Herrengewalt bei Naturaleinkünften die Regel ist, unregelmäßig ein, so wird sich der Beamte, ermächtigt oder nicht, an die Abgabepflichtigen seines Gewaltbereichs direkt halten. Der Gedanke, durch Verpfändung oder Überweisung der Abgaben und damit der Steuergewalt oder durch Verleihung nutzbringender Grundstücke des Herrn zur Eigennutzung den Beamten gegen jene Schwankungen zu sichern, liegt nahe und jede nicht ganz straff organisierte Zentralgewalt ist versucht, ihn freiwillig oder durch die Beamten gezwungen zu beschreiten. Dies kann dann so geschehen, daß der Beamte entweder sich aus den Nutzungen in Höhe seines Gehaltanspruchs befriedigt und den Überschuß abliefert oder —da dies naheliegende Versuchungen enthält und daher meist unbefriedigende Ergebnisse für den Herrn zeitigt — dergestalt, daß der Beamte »auf festes Geld gesetzt« wird, wie dies vielfach in der Vorzeit des deutschen Beamtentums, in größtem Maßstabe aber in allen Satrapieverwaltungen des Ostens geschehen ist: er liefert einen festgesetzten Betrag ab und behält die Überschüsse.
Er ist dann ökonomisch einem Pachtunternehmer ziemlich ähnlich gestellt, und es kommt auch
geradezu ein reguläres Amtspachtverhältnis, sogar unter Vergebung nach dem Höchstgebot, vor. Auf
privatwirtschaftlichem Boden ist die Umbildung der Villikationsordnung in ein Pachtverhältnis eines der
wichtigsten aus den zahlreichen Beispielen. Der Herr kann auf diesem Wege insbesondere auch die Mühe
der Umwandlung seiner Naturalbezüge in Geld auf den pachtenden bzw. auf festes Geld gesetzten
Beamten abwälzen. So stand es offenbar mit manchen orientalischen Statthaltern des Altertums. Vor allem
die Verpachtung der öffentlichen Steuererhebung selbst statt deren eigener Regie dient diesem Zweck.
Dadurch ergibt sich vor allem die Möglichkeit des sehr wichtigen Fortschritts in der Ordnung seiner
Finanzen zum System der Etatisierung, d.h.: statt des für alle Frühstadien öffentlicher Haushalte typischen
Lebens von der Hand in den Mund aus den jeweiligen unberechenbaren Eingängen kann ein fester
Voranschlag der Einnahmen und dem entsprechend auch der Ausgaben treten. Andrerseits wird dabei
auf Kontrolle und volle Ausnutzung der Steuerkraft zu eignem Nutzen des Herrn verzichtet und je nach
dem Maße der dem Beamten oder Amts- oder Steuerpächter gelassenen Freiheit auch deren
Nachhaltigkeit durch rücksichtslose Ausbeutung gefährdet, da ein Kapitalist daran kein derart dauerndes
Interesse hat, wie der Herr. Hingegen sucht sich dieser durch Reglements zu sichern. Die Gestaltung der
Verpachtung oder Überweisung der Abgaben kann demgemäß eine sehr verschiedene sein, und je nach
dem Stärkeverhältnis zwischen Herrn und Pächter kann das Interesse des Letzteren an freier Ausbeutung
der Steuerkraft der Beherrschten oder das Interesse des Herrn an deren Nachhaltigkeit das Übergewicht
behaupten. Wesentlich auf dem Mit- und Gegeneinanderwirken jener erwähnten Motive: Ausschaltung
des Schwankens der Erträgnisse, Möglichkeit der Etatisierung, Sicherung der Leistungsfähigkeit der
Untertanen durch Schutz gegen unwirtschaftliche Ausbeutung, Kontrolle der Erträgnisse des Pächters
zwecks Aneignung des möglichen Maximums durch den Staat, beruht z.B. die Art der Gestaltung des
Steuerpachtsystems im Ptolemäerreich, bei welchem der Pächter allerdings noch, wie in Hellas und Rom,
ein privater Kapitalist ist, die Erhebung der Steuern aber bürokratisch vollzogen und staatlich kontrolliert
wird, der Profit des Pächters nur in einem Anteil an den etwaigen Überschüssen über seine Pachtsumme,
die in Wahrheit eine Garantiesumme ist, sein Risiko aber in dem Zurückbleiben des Abgabenertrages
hinter jener Summe besteht.
Die rein ökonomische Auffassung des Amts als einer privaten Erwerbsquelle des Beamten kann, wenn der Herr in die Lage gerät, nicht sowohl laufende Einkünfte, als vielmehr Geldkapital zu brauchen, z.B. zur Kriegsführung oder Schuldenabzahlung, auch direkt zum Amtskauf führen, wie er als ganz reguläre Einrichtung gerade in den Staaten der Neuzeit, im Kirchenstaat ebensogut wie in Frankreich und England, und zwar für Sinekuren ebenso wie für sehr ernste Ämter, z.B. auch für Offizierspatente, in Resten bis ins 19. Jahrhundert, existiert hat. Im Einzelfall kann der ökonomische Sinn eines solchen Verhältnisses sich dahin wandeln, daß die Einkaufsumme teilweis oder ganz den Charakter einer Kaution für die Amtstreue trägt.  Aber die Regel war dies nicht.
Immer aber bedeutet jede Art der Überweisung von Nutzungen, Abgaben und Diensten, welche dem Herrn als solchem zustehen, an den Beamten zur eigenen Ausbeutung eine Preisgabe des reinen Typus der bürokratischen Organisation. Der Beamte in dieser Lage hat ein eigenes Besitzrecht am Amt. In noch höherem Grade ist dies dann der Fall, wenn Amtspflicht und Entgelt derart in Beziehung zueinander gesetzt werden, daß der Beamte überhaupt keine Einkünfte aus den ihm überlassenen Objekten abliefert, sondern über diese ganz allein für seine privaten Zwecke verfügt und dagegen dem Herrn Dienste persönlichen oder militärischen oder sonst politischen oder kirchlichen Charakters leistet. In den Fällen der lebenslänglichen Zuweisung von irgendwie dinglich fixierten Rentenzahlungen oder wesentlich ökonomischen Nutzungen an Land oder anderen Rentenquellen, als Entgelt der Erfüllung reeller oder fiktiver Amtspflichten, für deren ökonomische Sicherung jene Güter dauernd vom Herrn bestimmt sind, wollen wir von »Pfründen« und von »präbendaler« Amtsorganisation sprechen. Der Übergang von da zum Gehaltsbeamtentum ist flüssig. »Präbendal« ist im Altertum und Mittelalter, aber auch bis in die Neuzeit, sehr oft die ökonomische Ausschaltung der Priesterschaft gewesen, aber die gleiche Form hat sich fast zu jeder Zeit auch auf anderen Gebieten gefunden. Im chinesischen Sakralrecht hat der spezifische »Pfründen«-Charakter aller Ämter die Folge, daß die während der rituellen Trauerzeit um den Vater und andere Hausautoritäten vorgeschriebene Enthaltung von dem Genuß des Besitzes (ursprünglich wegen des Übelwollens des toten Hausherrn, dem es gehörte) den Trauernden zum Verzicht auf sein Amt zwingt, welches eben rein präbendal als Rentenquelle angesehen wurde. — Eine weitere Stufe der Entfernung von der reinen Gehaltsbürokratie bedeutet es dann, wenn nicht nur wirtschaftliche, sondern auch Herrschaftsrechte zur eigenen Ausübung verliehen und als Gegenleistung persönliche Dienste für den Herren ausbedungen werden. Jene verliehenen Herrschaftsrechte selbst können dabei verschiedenen, z.B. bei politischen Beamten mehr grundherrlichen oder mehr amtlichen Charakters sein. In beiden Fällen, jedenfalls aber im letzteren, ist eine völlige Zerstörung der spezifischen Eigenart der bürokratischen Organisation eingetreten: wir befinden uns im Bereich der »feudalen« Organisation der Herrschaft.  Alle Arten solcher Zuweisungen von Naturalleistungen und Naturalnutzungen als Ausstattung an Beamte haben die Tendenz einer Lockerung des bürokratischen Mechanismus, insbesondere einer Abschwächung der hierarchischen Unterordnung. Diese Unterordnung ist in der modernen Beamtendisziplin am straffsten entwickelt. Nur wo die Unterwerfung der Beamten gegenüber dem Herrn auch rein persönlich eine absolute war, also bei Verwaltung durch Sklaven oder sklavenartig behandelte Angestellte, läßt sich eine ähnliche Präzision wenigstens bei sehr energischer Leitung erreichen, wie sie der kontraktlich angestellte Beamte des heutigen Okzidents darbietet.
Im Altertum sind in den naturalwirtschaftlichen Ländern die ägyptischen Beamten, soweit nicht
rechtlich, doch tatsächlich Sklaven des Pharao. Die römischen Grundherrschaften vertrauten wenigstens
die direkte Kassenführung sehr gern Sklaven an, wegen der Möglichkeit der Tortur. In China sucht man
durch ausgiebige Verwendung des Bambus als Disziplinarmittels Ähnliches zu erzielen. Allein die
Chancen für die S t e t i g k e i t des Funktionierens direkter Zwangsmittel sind höchst ungünstige. Daher
bieten erfahrungsgemäß ein gesicherter Geldgehalt, verbunden mit der Chance einer nicht rein von Zufall
und Willkür abhängigen Karriere, einer straffen, aber das Ehrgefühl schonenden Disziplin und Kontrolle,
ferner der Entwicklung des Standesehrgefühls und die Möglichkeit der öffentlichen Kritik, das relative
Optimum für das Gelingen und den Bestand einer straffen Mechanisierung des bürokratischen Apparats,
und er funktioniert in dieser Hinsicht sicherer als alle rechtliche Versklavung. Und zwar ist ein starkes
Standesbewußtsein der Beamten mit der Bereitwilligkeit zur willenlosesten Unterordnung unter die
Vorgesetzten nicht nur verträglich, sondern es ist — wie beim Offizier — als innerer Ausgleich für das
Selbstgefühl der Beamten dessen Konsequenz. Der rein »sachliche« Berufscharakter des Amts mit seiner
prinzipiellen Trennung der Privatsphäre des Beamten von derjenigen seiner Amtstätigkeit erleichtert die
Eingliederung in die ein für allemal fest gegebenen sachlichen Bedingungen des auf Disziplin gegründeten Mechanismus.
Wenn also auch die volle Entwicklung der Geldwirtschaft keine unentbehrliche Vorbedingung der Bürokratisierung ist, so ist dies doch, als eine spezifisch stetige Struktur, an eine Voraussetzung geknüpft: das Vorhandensein s t e t i g e r Einnahmen zu ihrer Erhaltung. Wo diese nicht aus dem privaten Profit — wie bei der bürokratischen Organisation moderner Großunternehmungen — oder aus festen Grundabgaben — wie bei der Grundherrschaft — gespeist werden können, ist also ein festes Steuersystem Vorbedingung der dauernden Existenz bürokratischer Verwaltung. Für dieses aber bietet die durchgeführte Geldwirtschaft aus bekannten allgemeinen Gründen die allein sichere Basis. Der Grad der Bürokratisierung einer Verwaltung ist daher in städtischen Gemeinwesen mit voll entfalteter Geldwirtschaft nicht selten ein relativ erheblicherer gewesen als in den gleichzeitigen viel größeren Flächenstaaten. Sobald freilich diese letzteren ein geregeltes Abgabensystem entwickeln konnten, entfaltete sich die Bürokratie bei ihnen weit umfassender als in den Stadtstaaten, welchen, solange ihr Umfang sich in mäßigen Grenzen hält, überall die Tendenz zu einer plutokratischen kollegialen Honoratiorenverwaltung die adäquateste ist. Denn der eigentliche Boden für die Bürokratisierung der Verwaltung war von jeher eine spezifische Art der Entwicklung der Verwaltungsaufgaben, und zwar zunächst:
II. ihre quantitative Entfaltung. Auf politischem Gebiete z.B. ist der klassische Boden der Bürokratisierung der Großstaat und die Massenpartei.
Allerdings nicht in dem Sinn, daß jede historisch bekannte eigentliche Großstaatbildung eine
bürokratische Verwaltung mit sich gebracht hätte. Denn zunächst hat der rein zeitliche Bestand einer
einmal bestehenden Großstaatbildung oder die Einheitlichkeit der von einer solchen getragenen Kultur
nicht immer an einer bürokratischen Struktur des Staates gehaftet. Beides ist allerdings, z.B. im
chinesischen Reich, in starkem Maße der Fall. Der Bestand der zahlreichen großen Negerreiche und
ähnlicher Bildungen ist in erster Linie infolge des Fehlens eines Beamtenapparats ephemer gewesen.
Ebenso zerfiel die staatliche Geschlossenheit des Karolingerreichs mit dem Verfall seiner
Beamtenorganisation, die allerdings vorwiegend patrimonialen, nicht bürokratischen, Charakters war. Rein
zeitlich betrachtet, haben dagegen das Khalifenreich und seine Vorgänger auf asiatischem Boden mit
wesentlich patrimonialer und präbendaler Ämterorganisation und das heilige römische Reich trotz fast
völligen Fehlens der Bürokratie ansehnliche Zeiträume überdauert und dabei auch eine wenigstens
annähernd so starke K u l t u reinheit dargestellt, wie sie bürokratische Staatswesen zu schaffen pflegen.
Und das antike Römerreich ist trotz zunehmender Bürokratisierung, ja gerade während ihrer
Durchführung, von innen her zerfallen, infolge der Art der mit ihr verbundenen staatlichen
Lastenverteilung, welche die Naturalwirtschaft begünstigte. Allerdings aber war der zeitliche Bestand
jener zuerst genannten Bildungen auf die Intensität ihrer rein p o l i t i s c h e n Einheitlichkeit hin
angesehen, wesentlich ein labiler und nomineller, konglomeratartiger Zusammenhalt mit im Ganzen stetig
abnehmender politischer Aktionsfähigkeit und war die relativ große K u l t u reinheit bei ihnen das Produkt
teils streng einheitlicher, im mittelalterlichen Okzident zunehmend bürokratischer, kirchlicher Gebilde, teils
einer weitgehenden Gemeinsamkeit der gesellschaftlichen Struktur, welche ihrerseits wieder die
Nachwirkung und Umbildung der einstmaligen politischen Einheit war: Beides Erscheinungen einer den
labilen Gleichgewichtsbestand begünstigenden, traditionsgebundenen Kulturstereotypierung. Beides
hatte so starke Tragkraft, daß selbst großartige Expansionsversuche wie die Kreuzzüge trotz fehlender
intensiver politischer Einheit sozusagen als »Privatunternehmungen« gemacht werden konnten, deren
Scheitern und politisch vielfach irrationaler Verlauf allerdings mit dem Fehlen einer dahinter stehenden
einheitlichen und intensiven Staatsgewalt zusammenhing. Und unzweifelhaft bleibt nicht nur, daß die
Keime von intensiver, »moderner« Staatenbildung im Mittelalter überall hervortraten in Gemeinschaft mit
der Entwicklung bürokratischer Gebilde, sondern auch, daß es die bürokratisch entwickeltsten politischen
Bildungen gewesen sind, welche schließlich jene, wesentlich auf einem labilen Gleichgewichtszustande
ruhenden Konglomerate zersprengten.
Der Zerfall des antiken Römerreiches wurde teilweise geradezu durch die Bürokratisierung seines
Armee- und Beamtenapparates m i t b e d i n g t : diese war nur unter gleichzeitiger Durchführung einer
Methode der staatlichen Lastenverteilung vollziehbar, welche zu einer wachsenden relativen Bedeutung
der Naturalwirtschaft führen mußte. Es spielen also stets individuelle Komponenten mit. Auch daß die
»Intensität« der staatlichen Aktion nach außen und innen, nach außen: die expansive Stoßkraft und im
Innern die staatliche Beeinflussung der Kultur in direktem
Verhältnis zu dem Grad der Bürokratisierung standen, kann für das erstere, nur als das »Normale«, nicht
aber als ausnahmslos geltend, hingestellt werden. Denn zwei der expansivsten politischen Gebilde: das
Römerreich und das englische Weltreich, ruhten gerade in ihrer expansiven Periode nur zum kleinen Teil
auf bürokratischer Grundlage. Das normannische Staatswesen in England hat hier straffe Organisation auf
dem Boden der Lehenshierarchie durchgeführt. Seine Einheitlichkeit und Stoßkraft hat es allerdings in
hohem Grade durch die im Vergleich zu andern politischen Gebilden des Feudalzeitalters relativ
außerordentlich straffe Bürokratisierung des königlichen Rechnungswesens (Exchequer) empfangen. Daß
der englische Staat dann weiterhin die kontinentale Entwicklung zum Bürokratismus nicht mitmachte,
sondern auf dem Boden der Honoratiorenverwaltung stehen blieb, hatte ebenso wie die republikanische
Verwaltung Roms neben dem (relativen) Fehlen des kontinentalen Charakters auch sonst durchaus
individuelle Voraussetzungen, die in England heute im Schwinden begriffen sind. Zu diesen besonderen
Voraussetzungen gehörte die Entbehrlichkeit eines so großen s t e h e n d e n Heeres, wie es bei gleicher
Expansionstendenz der Kontinentalstaat mit seinen Landgrenzen braucht. Daher schritt auch in Rom die
Bürokratisierung mit dem Übergang vom Küsten- zum Kontinentalring fort. Im übrigen war in der
römischen Herrschaftsstruktur die technische Leitung eines bürokratischen Apparats: Präzision und
Geschlossenheit des Funktionierens für die Verwaltung, zumal die außerhalb der Stadtgrenze sich
vollziehende Verwaltung durch den streng militärischen Charakter der Magistratsgewalten, wie ihn in
dieser Art kein anderes Volk kennt, ersetzt, und die Kontinuierlichkeit durch die ebenfalls einzigartige
Stellung des Senats gewährleistet. Und eine nicht zu vergessende Voraussetzung für diese
Entbehrlichkeit der Bürokratie war hier wie in England, daß die Staatsgewalt nach I n n e n zu den Umkreis
ihrer Funktionen zunehmend »minimisierte«, d.h. auf das beschränkte, was die unmittelbare
»Staatsraison« schlechterdings forderte. Die kontinentalen Staatsgewalten der beginnenden Neuzeit
haben sich allerdings durchweg in den Händen derjenigen Fürsten zusammengeballt, welche den Weg der
Bürokratisierung der Verwaltung am rücksichtslosesten beschritten. Daß der moderne Großstaat je länger
je mehr technisch auf eine bürokratische Basis schlechthin angewiesen ist, und zwar je größer er ist, und
vor allem je mehr er Großmachtstaat ist oder wird, desto unbedingter, ist handgreiflich. Der Charakter
eines nicht, wenigstens nicht im vollen technischen Sinn, bürokratischen Staatswesens, welchen die
Vereinigten Staaten noch an sich tragen, weicht unvermeidlich auch formell allmählich der bürokratischen
Struktur, je größer die Reibungsfläche nach außen und je dringlicher die Bedürfnisse nach Einheit der
Verwaltung im Innern werden. Materiell ist überdies dort die teilweise unbürokratische Form der Struktur
des Staats ausgeglichen durch eine um so straffer bürokratische Struktur der in Wahrheit politisch
herrschenden Gebilde: der Parteien unter der Leitung von berufsmäßigen Fachspezialisten (professionals)
der Organisations- und Wahltaktik. Für die Bedeutung des rein Quantitativen als Hebel der
Bürokratisierung sozialer Gebilde ist das augenfälligste Beispiel gerade die zunehmende bürokratische
Organisation aller eigentlichen Massenparteien, zu denen bei uns vor allem die Sozialdemokratie, im
Ausland im größten Maßstab die beiden »historischen« amerikanischen Parteien gehören.
III. Mehr als die extensive und quantitative ist aber die intensive und qualitative Erweiterung und innere Entfaltung des Aufgabenkreises der Verwaltung Anlaß der Bürokratisierung. Die Richtung, in der sich diese Entwicklung vollzieht und ihr Anlaß können dabei sehr verschiedenartig sein. In dem ältesten Land bürokratischer Staatsverwaltung, Ägypten, war es die technisch-ökonomische Unvermeidlichkeit gemeinwirtschaftlicher Regulierung der Wasserverhältnisse für das ganze Land von oben her, welche den Schreiberund Beamtenmechanismus schuf, der dann in der außerordentlichen, militärisch organisierten Bautätigkeit schon in früher Zeit seinen zweiten großen Geschäftskreis fand. Meist haben, wie schon erwähnt, in der Richtung der Bürokratisierung Bedürfnisse gewirkt, welche durch die machtpolitisch bedingte Schaffung stehender Heere und die damit verbundene Entwicklung des Finanzwesens entstanden. Im modernen Staat drängen aber nach der gleichen Richtung außerdem die durch steigende Kompliziertheit der Kultur bedingten wachsenden Ansprüche an die Verwaltung überhaupt. Während sehr bedeutende Expansionen nach außen, speziell die Überseexpansion, auch und gerade von Staaten mit Honoratiorenherrschaft (Rom, England, Venedig) betrieben worden sind, ist — wie sich gelegentlich noch zeigen wird — »Intensität« der Verwaltung, d.h. die Übernahme möglichst vieler Aufgaben zu kontinuierlicher Bearbeitung und Erledigung im eigenen Betrieb des Staats, in den großen Honoratiorenstaaten, namentlich Rom und England, relativ äußerst schwach entwickelt gewesen, verglichen mit bürokratischen Staatswesen. Richtig verstanden: Die Struktur der Staatsgewalt hat in beiden Fällen die Kultur sehr stark beeinflußt. Aber relativ wenig in der Form staatlichen Betriebs und staatlicher Kontrolle. Das gilt von der Justiz angefangen bis zur Erziehung. Diese wachsenden Kulturansprüche sind ihrerseits, wenn auch in verschiedenem Maße, durch die Entfaltung des Reichtums der im Staat einflußreichsten Schichten, bedingt. Insoweit ist dann zunehmende Bürokratisierung Funktion zunehmenden konsumtiv verfügbaren und konsumtiv verwendeten Besitzes und einer, den dadurch gegebenen Möglichkeiten entsprechenden, zunehmend raffinierten Technik der äußeren Lebensgestaltung. In seiner Rückwirkung auf den allgemeinen Bedürfnisstand bedingt dies zunehmende subjektive Unentbehrlichkeit organisierter gemeinwirtschaftlicher und interlokaler, also: bürokratischer, Fürsorge für die verschiedensten, früher entweder unbekannten oder privatwirtschaftlich oder lokal gedeckten Lebensbedürfnisse. Von rein politischen Momenten wirkt in der Richtung der Bürokratisierung besonders nachhaltig das steigende Bedürfnis einer an feste absolute Befriedung gewöhnten Gesellschaft nach Ordnung und Schutz (»Polizei«) auf allen Gebieten. Es führt ein stetiger Weg von der bloß sakralen oder bloß schiedsrichterlichen Beeinflussung der Blutfehde, welche die Rechts- und Sicherheitsgarantie für den Einzelnen gänzlich auf die Eideshilfe- und Rachepflicht seiner Sippegenossen legt, zu der heutigen Stellung des Polizisten als des »Stellvertreters Gottes auf Erden«. Von anderen Momenten wirken in erster Linie die mannigfachen sog.  »sozialpolitischen« Aufgaben, welche der moderne Staat teils von den Interessenten zugeschoben bekommt, teils, sei es aus machtpolitischen, sei es aus ideologischen Motiven, usurpiert. Diese sind natürlich in stärkstem Maße ökonomisch bedingt. Von wesentlich technischen Faktoren endlich kommen die spezifisch modernen, teils notwendigerweise, teils technisch zweckmäßigerweise, gemeinwirtschaftlich zu verwaltenden Verkehrsmittel (öffentliche Land- und Wasserwege, Eisenbahnen, Telegraphen usw.) als Schrittmacher der Bürokratisierung in Betracht. Sie spielen dabei heute vielfach eine ähnliche Rolle wie im alten Orient etwa die Kanäle Mesopotamiens und die Nilregulierung. Auf der anderen Seite ist der Grad der Entwicklung der Verkehrsmittel eine für die Möglichkeit bürokratischer Verwaltung wenn auch nicht allein ausschlaggebende, aber doch entscheidend wichtige Bedingung. In Ägypten hätte ohne die natürliche Verkehrsstraße des Nil die bürokratische Zentralisierung auf einer fast rein naturalwirtschaftlichen Basis sicherlich nie den tatsächlich erreichten Grad erlangen können. Im modernen Persien wurden die Telegraphenbeamten als solche offiziell mit der Berichterstattung über alle Vorkommnisse in den Provinzen über den Kopf der Lokalbehörden hinweg an den Schah betraut und außerdem jedermann das Recht direkter telegraphischer Beschwerde eröffnet, um die bürokratische Zentralisation zu fördern. Der moderne Staat des Okzidents kann so, wie es tatsächlich geschieht, nur verwaltet werden, weil er Beherrscher des Telegraphennetzes ist und Post und Eisenbahnen ihm zur Verfügung stehen.
Diese ihrerseits wieder hängen mit der Entwicklung eines interlokalen Massengüterverkehrs aufs
Engste zusammen, welcher damit unter die ursächlichen Begleiterscheinungen moderner Staatenbildung
rückt. Das gilt aber für die Vergangenheit nicht unbedingt, wie wir früher gesehen haben.
IV. Der entscheidende Grund für das Vordringen der bürokratischen Organisation war von jeher ihre rein technische Überlegenheit über jede andere Form. Ein voll entwickelter bürokratischer Mechanismus verhält sich zu diesen genau wie eine Maschine zu den nicht mechanischen Arten der Gütererzeugung. Präzision, Schnelligkeit, Eindeutigkeit,
Aktenkundigkeit, Kontinuierlichkeit, Diskretion,
Einheitlichkeit, straffe Unterordnung, Ersparnisse an Reibungen, sachlichen und persönlichen Kosten sind bei streng bürokratischer, speziell: monokratischer Verwaltung durch geschulte Einzelbeamte gegenüber allen kollegialen oder ehren- und nebenamtlichen Formen auf das Optimum gesteigert. Sofern es sich um komplizierte Aufgaben handelt, ist bezahlte bürokratische Arbeit nicht nur präziser, sondern im Ergebnis oft sogar billiger als die formell unentgeltliche ehrenamtliche. Ehrenamtliche Tätigkeit ist Tätigkeit im Nebenberuf, funktioniert schon deshalb normalerweise langsamer, weniger an Schemata gebunden und formloser, daher unpräziser, uneinheitlicher, weil nach oben unabhängiger, diskontinuierlicher und schon infolge der fast unvermeidlich unwirtschaftlicheren Beschaffung und Ausnutzung des Subaltern- und Kanzleiapparats auch oft faktisch sehr kostspielig. Dies gilt namentlich dann, wenn man nicht nur an die baren Kosten der öffentlichen Kasse — die allerdings sich bei bürokratischer Verwaltung besonders im Vergleich mit ehrenamtlicher Honoratiorenverwaltung wesentlich zu steigern pflegen —, sondern an die häufigen wirtschaftlichen Verluste der Beherrschten durch Zeitversäumnis und mangelnde Präzision denkt. Die Möglichkeit ehrenamtlicher Honoratiorenverwaltung ist dauernd normalerweise nur da gegeben, wo die Geschäfte »im Nebenamt« ausreichend besorgt werden können. Sie erreicht mit der qualitativen Steigerung der Aufgaben, vor welche sich die Verwaltung gestellt sieht — heute auch in England —, ihre Grenze. Kollegial organisierte Arbeit andererseits bedingt Reibungen und Verzögerungen, Kompromisse zwischen kollidierenden Interessen und Ansichten und verläuft dadurch unpräziser, nach oben unabhängiger, daher uneinheitlicher und langsamer. Alle Fortschritte der preußischen Verwaltungsorganisation sind gewesen und werden auch künftig sein: Fortschritte des bürokratischen, speziell des monokratischen Prinzips.  Die Forderung einer nach Möglichkeit beschleunigten, dabei präzisen, eindeutigen, kontinuierlichen Erledigung von Amtsgeschäften wird heute an die Verwaltung in erster Linie von seiten des modernen kapitalistischen Wirtschaftsverkehrs gestellt. Die ganz großen modernen kapitalistischen Unternehmungen sind selbst normalerweise unerreichte Muster straffer bürokratischer Organisation. Ihr Geschäftsverkehr ruht durchgehends auf zunehmender Präzision, Stetigkeit und vor allem Schleunigkeit der Operationen. Dies wieder wird durch die Eigenart der modernen Verkehrsmittel bedingt, zu welcher u.a. auch der Nachrichtendienst in der Presse gehört. Die außerordentliche Beschleunigung in der Übermittlung von öffentlichen Bekanntmachungen, von wirtschaftlichen oder auch rein politischen Tatsachen übt nun schon rein als solche einen stetigen scharfen Druck in der Richtung auf möglichste Beschleunigung des Reaktionstempos der Verwaltung gegenüber den jeweils gegebenen Situationen, und das Optimum darin ist normalerweise nur durch straffe bürokratische Organisation gegeben. (Daß der bürokratische Apparat auch wieder bestimmte Hemmungen für eine dem individuellen Fall angepaßte Erledigung erzeugen kann und tatsächlich erzeugt, gehört im einzelnen nicht hierher.)
Vor allem aber bietet die Bürokratisierung das Optimum an Möglichkeit für die
Durchführung des Prinzips der Arbeitszerlegung in der Verwaltung nach rein sachlichen
Gesichtspunkten, unter Verteilung der einzelnen Arbeiten auf spezialistisch abgerichtete und in
fortwährender Übung immer weiter sich einschulende Funktionäre. »Sachliche« Erledigung
bedeutet in diesem Fall in erster Linie Erledigung »ohne Ansehen der Person« nach
berechenbaren Regeln . »Ohne Ansehen der Person« aber ist auch die Parole des
»Marktes« und aller nackt ökonomischen Interessenverfolgung überhaupt. Die konsequente
Durchführung der bürokratischen Herrschaft bedeutet die Nivellierung der ständischen »Ehre«,
also, wenn das Prinzip der Marktfreiheit nicht gleichzeitig eingeschränkt wird, die
Universalherrschaft der »Klassenlage«. Wenn diese Konsequenz bürokratischer Herrschaft
nicht überall parallel mit dem Maße der Bürokratisierung eingetreten
WG662 ist, hat seinen Grund in der Verschiedenheit der möglichen Prinzipien der Bedarfsdeckung der
politischen Gemeinschaften. Aber auch für die moderne Bürokratie hat das zweite Element: die »berechenbaren Regeln« die eigentlich beherrschende Bedeutung. Die Eigenart der modernen Kultur, speziell ihres technisch-ökonomischen Unterbaues aber, verlangt gerade diese »Berechenbarkeit« des Erfolges. Die Bürokratie in ihrer Vollentwicklung steht in einem spezifischen Sinn auch unter dem Prinzip des »sine ira ac studio«. Ihre spezifische, dem Kapitalismus willkommene, Eigenart entwickelt sie um so vollkommener, je mehr sie sich »entmenschlicht«, je vollkommener, heißt das hier, ihr die spezifische Eigenschaft, welche ihr als Tugend nachgerühmt wird, die Ausschaltung von Liebe, Haß und allen rein persönlichen, überhaupt aller irrationalen, dem Kalkul sich entziehenden, Empfindungselementen aus der Erledigung der Amtsgeschäfte gelingt. Statt des durch persönliche Anteilnahme, Gunst, Gnade, Dankbarkeit, bewegten Herren der älteren Ordnungen verlangt eben die moderne Kultur für den äußeren Apparat, der sie stützt, je komplizierter und spezialisierter sie wird, desto mehr den menschlich unbeteiligten, daher streng »sachlichen« Fachmann. All dies aber bietet die bürokratische Struktur in günstigster Verbindung. Namentlich schafft regelmäßig erst sie der Rechtsprechung den Boden für die Durchführung eines begrifflich systematisierten und rationalen Rechts, auf der Grundlage von »Gesetzen«, wie es in hoher technischer Vollendung zuerst die spätere römische Kaiserzeit geschaffen hat. Im Mittelalter ging die Rezeption dieses Rechts Hand in Hand mit der Bürokratisierung der Rechtspflege: dem Eindringen des rational geschulten Fachspezialistentums an Stelle der alten, an die Tradition oder irrationale Voraussetzungen gebundenen Rechtsfindung.
Der »rationalen« Rechtsfindung auf der Basis streng formaler Rechtsbegriffe steht gegenüber eine Art
der Rechtsfindung, welche in erster Linie sich an geheiligte Traditionen bindet, den konkreten aus dieser
Quelle nicht eindeutig entscheidbaren Fall aber erledigt entweder (»charismatische« Justiz): durch
konkrete »Offenbarung« (Orakel, Prophetensprüche oder Gottesurteil), oder — und diese Fälle
interessieren uns hier allein: — 1. unformal nach konkreten ethischen oder anderen praktischen
Werturteilen: die »Kadi-Justiz« (wie R. Schmidt sie zutreffend genannt hat), oder 2. zwar formal, aber nicht
durch Unterordnung unter rationale Begriffe, sondern durch Heranziehung von »Analogien« und in
Anlehnung an und Ausdeutung von k o n k r e t e n »Präjudizien«: »empirische Justiz«. Die Kadijustiz
kennt gar keine, die empirische Justiz bei reinem Typus, keine in unserem Sinne rationalen Urteilsgründe«.
Der konkrete Werturteilscharakter der Kadijustiz kann sich bis zu prophetischem Bruch mit aller Tradition
steigern, die empirische Justiz andererseits zu einer Kunstlehre sublimiert und rationalisiert werden. Da —
wie anderwärts erörtert wird — die nicht bürokratischen Herrschaftsformen ein eigentümliches
Miteinander einer Sphäre strenger Traditionsgebundenheit einerseits, freier Willkür und Gnade des Herrn
andererseits aufweisen, so sind andererseits Kombinations- und Übergangsformen zwischen beiden
Prinzipien sehr häufig. In England z.B. ist — wie Mendelssohn anschaulich macht, — eine breite
Unterschicht der Justiz noch jetzt der Sache nach in einem so hohen Grade »Kadijustiz«, wie man es sich
auf dem Kontinent nicht leicht vorstellt. Unsere Geschworenenjustiz, welche ja die Angabe der Gründe
des Wahrspruchs ausschließt, funktioniert in der Praxis bekanntlich nicht selten ebenso — wie man sich
denn überhaupt hüten muß zu glauben: »demokratische« Justizprinzipien seien mit »rationaler« (im Sinn
von formaler) Rechtsfindung identisch. Im Gegenteil, wie an anderer Stelle dargelegt wird. Andererseits ist
die englische (und amerikanische) Justiz der großen Reichsgerichte immer noch in hohem Maße
empirische, speziell Präjudizienjustiz. Der Grund des Scheiterns aller rationalen
Kodifikationsbestrebungen und ebenso der Rezeption des römischen Rechts lag in England in dem
erfolgreichen Widerstand der großen einheitlich organisierten Anwaltszünfte, einer monopolistischen
Honoratiorenschicht, aus deren Mitte die Richter der großen Gerichtshöfe hervorgingen. Sie behielten die
juristische Erziehung nach Art einer empirischen Kunstlehre technisch hoch entwickelt in ihrer Hand und
kämpften erfolgreich gegen die ihre soziale und materielle Stellung bedrohenden, Bestrebungen nach
rationalem Recht, wie sie besonders von den geistlichen Gerichten, zeitweilig auch von den Universitäten
ausgingen. Der Kampf der Common-Law-Advokaten gegen das römische und kirchliche Recht und gegen
die Machtstellung der Kirche überhaupt war dabei zum erheblichen Teil ökonomisch:
durch ihr Sportelinteresse verursacht, wie die Art der Eingriffe des Königs in diesen Kampf deutlich zeigt.
Aber ihre diesen Kampf siegreich bestehende Machtstellung war durch die politische Zentralisation
bedingt. In Deutschland fehlte, und zwar aus vornehmlich politischen Gründen, ein sozial machtvoller
Honoratiorenstand, der nach Art der englischen Anwälte Träger einer nationalen Rechtsübung hätte sein
und das nationale Recht zum Rang einer Kunst mit geregelter Lehre entwickeln und welcher dem
Eindringen der technisch überlegenen Schulung der römisch-rechtlich gebildeten Juristen hätte
Widerstand leisten können. Nicht etwa die, bessere Angepaßtheit des m a t e r i e l l e n römischen Rechts
an die Bedürfnisse des entstehenden Kapitalismus entschied hier dessen Sieg, — geradezu alle
spezifischen Rechtsinstitute des modernen Kapitalismus sind ja dem römischen Recht fremd und
mittelalterlichen Ursprungs. Sondern seine rationale Form und vor allem die technische Notwendigkeit,
das Prozeßverfahren angesichts des, durch die steigend komplizierten praktischen Rechtsfälle und
angesichts der von der zunehmend rationalisierten Wirtschaft an Stelle der überall urwüchsigen
Wahrheitsermittlung durch konkrete Offenbarung oder sakrale Bürgschaft geforderten, rationalen
Beweisverfahrens, in die Hand rational geschulter — und das heißt: auf den Universitäten am römischen
Recht geschulter — Fachmänner zu legen. Diese Situation war natürlich in starkem Maße durch die
verwandelte Struktur der Wirtschaft mitbedingt. Aber dieses Moment wirkte überall, auch in England, wo
die Königsgewalt das rationale Beweisverfahren zugunsten vor allem der Kaufleute einführte. Der
überwiegende Grund des trotzdem vorhandenen Unterschiedes in der Entwicklung des materiellen Rechts
in England und Deutschland lag, wie schon daraus hervorgeht, nicht hier, sondern er entsprang einer
Eigengesetzlichkeit der Entwicklung der beiderseitigen Herrschaftsstruktur: in England zentralisierte Justiz
und zugleich Honoratiorenherrschaft, in Deutschland Fehlen der politischen Zentralisation und zugleich
Bürokratisierung. Das in der Neuzeit kapitalistisch zuerst höchstentwickelte Land, England, behielt
dadurch eine minder rationale und minder bürokratische Justiz. Der Kapitalismus aber konnte sich in
England damit namentlich deshalb so gut abfinden, weil dort die Art der Gerichtsverfassung und des
Prozeßverfahrens bis in die Neuzeit einer weitgehenden Justizverweigerung gegenüber den ökonomisch
Schwachen im Erfolg gleichkam. Diese Tatsache und die, gleichfalls durch ökonomische
Advokateninteressen bedingte, Zeit- und Kostspieligkeit der Grundbesitzübertragung hat andererseits
auch die Agrarverfassung Englands tiefgehend zugunsten der Bodenakkumulation und -Immobilisierung
beeinflußt.
Die r ö m i s c h e Rechtsfindung ihrerseits war in der Zeit der Republik eine eigentümliche Mischung
von rationalen, empirischen und selbst von Kadijustizelementen. Die Geschworenenbestellung als solche
und die anfänglich zweifellos »von Fall zu Fall« gegebenen actiones in factum des Prätors enthielten ein
Element der letzteren Art. Die »Kautelarjurisprudenz« und alles, was aus ihr erwachsen ist, einschließlich
eines Teils noch der Responsenpraxis der klassischen Juristen, trug »empirischen« Charakter. Die
entscheidende Wendung des juristischen Denkens zum rationalen wurde zuerst durch die technische Art
der Prozeßinstruktion an der Hand der auf Rechtsbegriffe abgestellten Formeln des prätorischen Ediktes
vorbereitet. (Heute, unter der Herrschaft des Substantiierungsprinzips, wo der Vortrag der Tatsachen
entscheidet, einerlei unter welchem rechtlichen Gesichtspunkt sie die Klage begründet erscheinen lassen,
fehlt ein solcher Zwang zur eindeutigen formalen Herausarbeitung des Umfangs der Begriffe, wie ihn die
technische Hochkultur des römischen Rechts erzeugt hat.) Insoweit also waren wesentlich prozeßtechnische, nur indirekt aus der Struktur des Staats folgende, Entwicklungsfaktoren im Spiel.
Vollendet aber, als ein geschlossenes, wissenschaftlich zu handhabendes Begriffssystem, wurde die
Rationalisierung des römischen Rechts — welche dieses von allem was der Orient und auch was das
Hellenentum hervorgebracht hatte so scharf scheidet — erst in der Epoche der Bürokratisierung des Staatswesens.
Ein typisches Beispiel nicht rationaler und doch »rationalistischer«, streng traditionsg e b u n d e n e r
empirischer Justiz sind die Responsen der Rabbiner im Talmud. Reine, traditionse n t b u n d e n e
»Kadi«-Justiz endlich ist jeder Prophetenwahrspruch nach dem Schema: »Es steht geschrieben — ich
aber sage Euch«. Je stärker der religiöse Charakter der Stellung des Kadi (oder gleichartigen Richters)
betont ist, desto freier schaltet innerhalb der nicht durch heilige Tradition gebundenen Sphäre die
regelfreie Beurteilung des Einzelfalles. Daß z.B. in Tunis das geistliche Gericht (Chara) über den
Grundbesitz nach »freiem Ermessen« — wie der Europäer es ausdrückt — entschied, blieb für ein
Menschenalter nach der französischen Okkupation ein sehr fühlbares Hemmnis der Entfaltung des
Kapitalismus. — Die soziologische Grundlage jener älteren Typen der Justiz in der Herrschaftsstruktur
lernen wir in anderem Zusammenhang kennen.
Es ist nun vollkommen wahr, daß »Sachlichkeit« und »Fachmäßigkeit« nicht notwendig identisch sind mit Herrschaft der generellen abstrakten Norm. Nicht einmal auf dem Boden der modernen Rechtsfindung. Der Gedanke des lückenlosen Rechts ist bekanntlich prinzipiell heftig angefochten und die Auffassung des modernen Richters als eines Automaten, in welchen oben die Akten nebst den Kosten hineingeworfen werden, damit er unten das Urteil nebst den mechanisch aus Paragraphen abgelesenen Gründen ausspeie, wird entrüstet verworfen, —vielleicht gerade deshalb, weil eine gewisse Annäherung an diesen Typus an sich in der Konsequenz der Rechtsbürokratisierung liegen würde. Auch auf dem Gebiet der Rechtsfindung gibt es Gebiete, auf denen der bürokratische Richter direkt zu »individualisierender« Rechtsfindung vom Gesetzgeber angewiesen ist. — Und vollends pflegt man gerade für das Gebiet der eigentlichen Verwaltungstätigkeit — d.h. für alle staatliche Tätigkeit, die nicht in das Gebiet der Rechtsschöpfung und Rechtsfindung fällt — die Freiheit und Herrschaft des Individuellen in Anspruch zu nehmen, der gegenüber die generellen Normen überwiegend als Schranken der positiven, niemals zu reglementierenden »schöpferischen« Betätigung des Beamten eine negative Rolle spielten. Die Tragweite dieser These möge hier dahingestellt sein.
Das Entscheidende bliebe doch: daß diese »frei« schaffende Verwaltung (und eventuell:
Rechtssprechung) nicht, wie wir das bei den vorbürokratischen Formen finden werden, ein Reich der f r e i e n Willkür und Gnade, der persönlich motivierten Gunst und Bewertung bilden würde. Sondern daß stets als Norm des Verhaltens die Herrschaft und rationale Abwägung »sachlicher« Zwecke und die Hingabe an sie besteht. Auf dem Gebiete der staatlichen Verwaltung speziell gilt gerade der das »schöpferische« Belieben des Beamten am stärksten verklärenden Ansicht als höchster und letzter Leitstern seiner Gebarung der spezifisch moderne, streng »sachliche« Gedanke der »Staatsraison«. In die Kanonisierung dieser abstrakten und »sachlichen« Idee untrennbar eingeschmolzen sind dabei natürlich vor allem die sicheren Instinkte der Bürokratie für die Bedingungen der Erhaltung ihrer Macht im eigenen Staat (und durch ihn, anderen Staaten gegenüber). Letztlich diese eigenen Machtinteressen geben jenem an sich keineswegs eindeutigen Ideal meist erst einen konkret verwertbaren Inhalt und in zweifelhaften Fällen den Ausschlag. Dies ist hier nicht weiter auszuführen. Entscheidend ist für uns nur: daß prinzipiell hinter jeder Tat echt bürokratischer Verwaltung ein System rational diskutabler »Gründe«, d.h. entweder: Subsumtion unter Normen, oder: Abwägung von Zwecken und Mitteln steht.
Auch hier ist die Stellungnahme jeder »demokratischen«, d.h. in diesem Fall: auf Minimisierung der »Herrschaft« ausgehenden Strömung notwendig zwiespältig. Die »Rechtsgleichheit« und das Verlangen nach Rechtsgarantien gegen Willkür fordert die formale rationale »Sachlichkeit« der Verwaltung im Gegensatz zu dem persönlichen freien Belieben aus der Gnade der alten Patrimonialherrschaft. Das »Ethos« aber, wenn es in einer Einzelfrage die Massen beherrscht — und wir wollen von anderen Instinkten ganz absehen —, stößt mit seinen am konkreten Fall und der konkreten Person orientierten Postulaten nach materieller »Gerechtigkeit« mit dem Formalismus und der regelgebundenen kühlen« Sachlichkeit« der bürokratischen Verwaltung unvermeidlich zusammen und muß dann aus diesem Grund emotional verwerfen, was rational gefordert worden war. Insbesondere ist den besitzlosen Massen mit einer formalen »Rechtsgleichheit« und einer »kalkulierbaren« Rechtsfindung und Verwaltung, wie sie die »bürgerlichen« Interessen fordern, nicht gedient.  Für sie haben naturgemäß Recht und Verwaltung im Dienst des Ausgleichs der ökonomischen und sozialen Lebenschancen gegenüber den Besitzenden zu stehen, und diese Funktion können sie allerdings nur dann versehen, wenn sie weitgehend einen unformalen, weil inhaltlich »ethischen«, (»Kadi«-) Charakter annehmen. Nicht nur jede Art von »Volksjustiz« — die nach rationalen »Gründen« und »Normen« nicht zu fragen pflegt —, sondern auch jede Art von intensiver Beeinflussung der Verwaltung durch die sog. »öffentliche Meinung«, d.h. unter den Bedingungen der Massendemokratie: durch ein aus irrationalen »Gefühlen« geborenes, normalerweise von Parteiführern und Presse inszeniertes oder gelenktes Gemeinschaftshandeln, kreuzt den rationalen Ablauf der Justiz und Verwaltung ebenso stark und unter Umständen weit stärker als es die »Kabinettsjustiz« eines »absoluten« Herrschers tun konnte.
V. Die bürokratische Struktur geht Hand in Hand mit der Konzentration der sachlichen Betriebsmittel in der Hand des Herrn. So in bekannter typischer Art in der Entwicklung der privatkapitalistischen Großbetriebe, die darin ihr wesentliches Merkmal finden.  Entsprechend aber auch bei den öffentlichen Gemeinschaften. Das bürokratisch geleitete Heer der Pharaonen, der Spätzeit der römischen Republik und des Prinzipats und vor allem des modernen Militärstaats ist gegenüber den Volksheeren agrarischer Stämme, ebenso den Bürgerheeren der antiken und den Milizen der frühmittelalterlichen Städte und gegenüber allen Lehensheeren dadurch charakterisiert, daß bei diesen die Selbstequipierung und Selbstverpflegung der Heerfolgepflichtigen das Normale ist, beim bürokratischen Heere aber die Ausrüstung und Verpflegung aus den Magazinen des Herrn erfolgt. Der heutige Krieg als Maschinenkrieg macht dies letztere technisch ebenso unbedingt notwendig wie die Herrschaft der Maschine im Gewerbe die Konzentration der Betriebsmittel beförderte. Die bürokratischen, vom Herrn equipierten und verpflegten Heere der Vergangenheit dagegen sind meist entstanden, wenn soziale und wirtschaftliche Entwicklungen die Schicht der zur Selbstequipierung ökonomisch fähigen Bürger absolut oder relativ vermindert hatten, so daß deren Zahl zur Aufstellung der erforderlichen Heere nicht mehr ausreichte. Mindestens relativ: nämlich im Verhältnis zum beanspruchten Machtumfang des Staatswesens, nicht. Denn nur die bürokratische Heeresform ermöglichte die Aufstellung stehender Berufsheere, wie sie sowohl zur dauernden Befriedung großer Flächenstaaten als zur Kriegführung gegen weit entfernte Feinde, namentlich über See, notwendig sind. Auch die spezifische militärische Disziplin und technische Abrichtung ist normalerweise, mindestens in ihrem modernen Höhengrade nur im bürokratischen Heere voll entfaltungsfähig.
Die Bürokratisierung des Heeres hat sich historisch überall parallel vollzogen mit der Abwälzung des
bis dahin ein Ehrenvorrecht der Besitzenden bildenden Heeresdienstes auf die Besitzlosen (auch
einheimische, wie in den Heeren der römischen Feldherrn der Spätrepublik und des Kaiserreichs und in
den modernen Heeren bis in das 19. Jahrh. oder auch fremde, wie in den Soldheeren aller Zeiten). Neben
dem dabei überall mitwirkendem Grunde: daß mit steigender Volksdichte und damit Intensität und
Anspannung der wirtschaftlichen Arbeit, welche die zunehmende »Unabkömmlichkeit« der erwerbenden
Schichten für Kriegszwecke bedingt, geht jener Vorgang mit steigender, materieller und geistiger Kultur
überhaupt in typischer Art Hand in Hand. Zeiten starken ideologischen Schwunges abgerechnet, pflegt
neben der Eignung auch die Neigung besitzender Schichten mit raffinierter, zumal städtischer, Kultur für
die grobe Kriegsarbeit des gemeinen Soldaten gering zu sein, und die Qualifikation und Neigung zum
Offiziersberuf pflegt unter sonst gleichen Umständen den besitzenden Schichten des platten Landes
wenigstens stärker zu eignen. Erst wo die zunehmende Maschinenmöglichkeit des Kriegsbetriebs von
den Führern »Techniker«-Eigenschaften verlangt, gleicht sich dies aus. — Die Bürokratisierung des
Kriegsbetriebs kann privatkapitalistisch gestaltet sein, wie jedes andere Gewerbe. Die privatkapitalistische
Heeresbeschaffung und -Verwaltung war in den Soldheeren namentlich im Okzident, in sehr
verschiedenen Formen, durchweg die Regel bis an die Schwelle des 19. Jahrhunderts. Im Dreißigjährigen
Kriege war in Brandenburg meist noch der Soldat selbst Eigentümer der sachlichen Mittel seines
Gewerbes: Waffen, Pferde, Bekleidung, obwohl sie allerdings der Staat bereits, sozusagen als »Verleger«
lieferte. Im stehenden Heer Preußens war später der Kompagniechef Eigentümer jener sachlichen
Kriegsmittel und erst seit dem Tilsiter Frieden trat endgültig die Konzentration der Betriebsmittel in die
Hand des Staates ein und zugleich damit erst die allgemeine Durchführung der Uniformierung, welche
vorher — soweit nicht einzelnen Truppenteilen bestimmte Uniformen vom König »verliehen« waren
(zuerst 1620 der Leibgarde, dann häufiger unter Friedrich II.),
weitgehend der Willkür des Regimentschefs anheimgestellt blieb. Begriffe z.B. wie »Regiment« einerseits,
»Bataillon« andererseits hatten daher noch im 18. Jahrh. regelmäßig einen ganz verschiedenen Sinn: nur
das letztere war eine taktische Einheit (wie heut beide), das erstere dagegen eine durch die
»Unternehmer«-Position des Obersten geschaffene ökonomische Betriebseinheit. »Offiziöse«
Seekriegsunternehmungen (wie die genuesischen »maonae«) und Heeresbeschaffung gehören zu den
ersten privatkapitalistischen »Riesenbetrieben« mit weitgehend bürokratischer Struktur. Ihre
»Verstaatlichung« hat darin in derjenigen der (von Anfang an staatlich kontrollierten) Eisenbahnen eine
moderne Parallele.
Ganz ebenso geht in anderen Sphären die Bürokratisierung der Verwaltung mit der Konzentration der Betriebsmittel Hand in Hand. Die alte Satrapen- und Statthalterverwaltung, ebenso die Verwaltung durch Amtspächter, Amtskäufer, und am meisten die Verwaltung durch Lehensleute dezentralisiert die sachlichen Betriebsmittel: der lokale Bedarf der Provinz, einschließlich der Kosten des Heeres und der Unterbeamten, wird regelmäßig vorab aus den lokalen Einnahmen bestritten und nur der Überschuß gelangt in die Zentralkasse. Der belehnte Beamte verwaltet ganz aus eigener Tasche. Der bürokratische Staat dagegen bringt die gesamten staatlichen Verwaltungskosten auf seinen Etat und stattet die Unterinstanzen mit den laufenden Betriebsmitteln aus, in deren Verwendung er sie reglementiert und kontrolliert. Für die »Wirtschaftlichkeit« der Verwaltung bedeutet dies das gleiche wie der kapitalistisch zentralisierte Großbetrieb.
Auch auf dem Gebiet des wissenschaftlichen Forschungs- und Lehrbetriebs ist die Bürokratisierung in
den stets vorhandenen »Instituten« der Universitäten (deren erstes großbetriebliches Beispiel Liebigs
Laboratorium in Gießen war) Funktion des steigenden Bedarfs an sachlichen Betriebsmitteln, welche,
durch ihre Konzentration in den Händen des staatlich privilegierten Leiters die Masse der Forscher und
Dozenten von ihren »Produktionsmitteln« ebenso trennt, wie der kapitalistische Betrieb die Arbeiter von
den ihrigen.
Wenn trotz all dieser zweifellosen technischen Überlegenheit der Bürokratie diese überall ein relativ spätes Entwicklungsprodukt gewesen ist, so trugen dazu zunächst eine Reihe von Hemmungen bei, welche erst unter bestimmten sozialen und politischen Bedingungen endgültig zurücktraten. Die bürokratische Organisation ist nämlich regelmäßig zur Herrschaft gelangt:
VI. auf der Basis einer, mindestens relativen, Nivellierung der ökonomischen und sozialen Unterschiede in ihrer Bedeutsamkeit für die Innehabung der Verwaltungsfunktionen. Sie ist insbesondere eine unvermeidliche Begleiterscheinung der modernen Massendemokratie im Gegensatz zu der demokratischen Selbstverwaltung kleiner homogener Einheiten. Zunächst schon infolge des ihr charakteristischen Prinzips: der abstrakten Regelhaftigkeit der Herrschaftsausübung. Denn diese folgt aus dem Verlangen nach »Rechtsgleichheit« im persönlichen und sachlichen Sinn, also: aus der Perhorreszierung des »Privilegs« und aus der prinzipiellen Ablehnung der Erledigung »von Fall zu Fall«. Dann aber auch aus den sozialen Vorbedingungen ihrer Entstehung. Jede nicht bürokratische Verwaltung eines quantitativ großen sozialen Gebildes beruht in irgendeiner Art darauf, daß ein bestehender sozialer, materieller oder Ehrenvorrang mit Verwaltungsfunktionen und -pflichten in Verbindung gebracht ist. Regelmäßig mit der Folge, daß die direkt oder indirekt ökonomische oder auch die »soziale« Ausbeutung der Stellung, welche jede Art von verwaltender Tätigkeit ihren Trägern verleiht, den Entgelt für deren Übernahme darstellt. Die Bürokratisierung und Demokratisierung bedeutet daher innerhalb der staatlichen Verwaltung trotz ihres normalerweise »wirtschaftlicheren« Charakters gegenüber jenen Formen eine Steigerung der baren Ausgaben der öffentlichen Kassen. Die Überlassung fast der gesamten Lokalverwaltung und der niederen Gerichtsbarkeit an die Grundherren im Osten Preußens war bis in die neueste Zeit die — wenigstens vom Kassenstandpunkt des Staats aus gesehen — billigste Art der Deckung des Bedürfnisses nach Verwaltung. Ebenso die Friedensrichterverwaltung in England. Die
Massendemokratie, welche mit feudalen, patrimonialen und — wenigstens der Absicht nach — plutokratischen Vorrechten in der Verwaltung aufräumt, muß unweigerlich bezahlte Berufsarbeit an die Stelle der überkommenen nebenamtlichen Honoratiorenverwaltung setzen. Dies gilt nicht nur von staatlichen Gebilden. Es ist kein Zufall, daß gerade die demokratischen Massenparteien (in Deutschland die Sozialdemokratie und die agrarische Massenbewegung, in England zuerst die von Birmingham aus seit den 70er Jahren organisierte Gladstone-Chamberlainsche Caucusdemokratie, in Amerika beide Parteien seit Jacksons Administration) in ihrer eigenen Parteiorganisation am vollständigsten mit der überkommenen und bei den altkonservativen, aber auch bei den alten liberalen Parteien noch vielfach vorherrschenden, auf persönlichen Beziehungen und persönlichem Ansehen ruhenden Honoratiorenherrschaft gebrochen und sich bürokratisch unter der Leitung von Parteibeamten, berufsmäßigen Partei- und Gewerkschaftssekretären usw. organisiert haben. In Frankreich scheiterte immer wieder der Versuch einer straffen Organisation politischer Parteien auf der Basis eines diese erzwingenden Wahlsystems wesentlich an dem Widerstand der lokalen Honoratiorenkreise gegen die dann auf die Dauer unvermeidliche, ihren Einfluß brechende, das ganze Land umspannende Parteibürokratisierung. Denn jeder Fortschritt der einfachen mit Ziffern rechnenden Wahltechnik, wie etwa (wenigstens unter Großstaatverhältnissen) das Proportionalwahlsystem, bedeutet straffe, interlokale bürokratische Organisation der Parteien und damit zunehmende Herrschaft der Parteibürokratie und der Disziplin unter Ausschaltung der lokalen Honoratiorenkreise. Innerhalb der staatlichen Verwaltung selbst liegt der Fortschritt der Bürokratisierung in Frankreich, Nordamerika, jetzt England als Parallelerscheinung der Demokratie offen zutage. Dabei ist natürlich stets zu beachten, daß der Name »Demokratisierung« irreführend wirken kann: der Demos im Sinn einer ungegliederten Masse »verwaltet« in größeren Verbänden nie selbst, sondern wird verwaltet und wechselt nur die Art der Auslese der herrschenden Verwaltungsleiter und das Maß von Beeinflussung, welches er oder richtiger: andere Personenkreise aus seiner Mitte durch die Ergänzung einer sog.  »öffentlichen Meinung« auf den Inhalt und die Richtung der Verwaltungstätigkeit auszuüben imstande sind. »Demokratisierung« in dem hier gemeinten Sinn muß nicht etwa notwendig Zunahme des aktiven Anteils der Beherrschten an der Herrschaft innerhalb des betreffenden Sozialgebildes bedeuten. Diese kann Folge des hier gemeinten Vorgangs sein, muß es aber nicht sein. Vielmehr hat man sich gerade hier sehr nachdrücklich ins Bewußtsein zu rufen: daß der politische Begriff der Demokratie aus der »Rechtsgleichheit« der Beherrschten noch die ferneren Postulate 1. Hinderung der Entwicklung eines geschlossenen »Beamtenstandes«, im Interesse der allgemeinen Zugänglichkeit der Ämter und 2. Minimisierung ihrer Herrschaftsgewalt im Interesse tunlichster Vertreibung der Einflußsphäre der »öffentlichen Meinung« ableitet, also, wo immer möglich, kurzfristige Besetzung durch widerrufliche Wahl ohne Bindung an fachmäßige Qualifikation erstrebt. Dadurch gerät sie mit den von ihr —infolge ihres Kampfes gegen die Honoratiorenherrschaft — erzeugten Tendenzen der Bürokratisierung unvermeidlich in Widerstreit. Mithin kommt die überhaupt unpräzise Bezeichnung »Demokratisierung« hier nicht in Betracht, sofern darunter die Minimisierung der Herrschaftsgewalt der »Berufsbeamten« zugunsten der möglichst »direkten« Herrschaft des »Demos«, das heißt aber praktisch: seiner jeweiligen Parteiführer, verstanden wird. Das Entscheidende ist vielmehr hier ausschließlich die Nivellierung der beherrschten gegenüber der herrschenden, bürokratisch gegliederten Gruppe, welche dabei ihrerseits sehr wohl faktisch, oft aber auch formal, eine ganz autokratische Stellung besitzen kann.
In Rußland war die Zerbrechung der Stellung des alten grundherrlichen Adels durch Regelung des
Mjeschtschitelstwo (Rangordnung) und die dadurch bedingte Durchsetzung alten Adels mit Dienstadel
eine charakteristische Zwischenerscheinung in der Entwicklung zur Bürokratisierung. In China bedeutet
die Einschätzung
des Ranges nach der Zahl der bestandenen Examina und der dadurch gegebenen Amtsqualifikation
Ähnliches in einer, theoretisch wenigstens, noch schärferen Konsequenz. In Frankreich haben die
Revolution und entscheidend der Bonapartismus die Bürokratie allherrschend gemacht. In der
katholischen Kirche war die durch Gregor VII. begonnene, durch das Tridentinum und Vaticanum und
zuletzt die Verfügungen Pius’ X. abgeschlossene Beseitigung zuerst der feudalen, dann auch aller
selbständigen lokalen Zwischenmächte und ihre Verwandlung in reine Funktionäre der Zentralinstanz,
verbunden mit stetiger Steigerung der vor allem durch die politische Parteiorganisation des Katholizismus
begründeten faktischen Bedeutung der formell gänzlich abhängigen Kapläne: ein Vormarsch der
Bürokratie also und zugleich der in diesem Fall sozusagen »passiven« Demokratisierung, d.h. der
Nivellierung der Beherrschten. Der Ersatz des auf Selbstequipierung ruhenden Honoratiorenheeres durch
das bürokratische Heer ist ebenfalls überall ein Prozeß »passiver« Demokratisierung in dem Sinn, wie jede
Aufrichtung einer absoluten Militärmonarchie an Stelle des Feudalstaats oder der Honoratiorenrepublik
es ist. Dies galt auch, dem Prinzip nach, trotz aller Besonderheiten, für die staatliche Entwicklung schon in
Ägypten. Im römischen Prinzipat ging die Bürokratisierung der Verwaltung der Provinzen, z.B. auf dem
Gebiet der Steuerverwaltung, Hand in Hand mit der Eliminierung der Plutokratie einer unter der Republik
übermächtigen Kapitalistenklasse und damit schließlich des antiken Kapitalismus selbst.  Es liegt auf der Hand, daß bei solchen »demokratisierenden« Entwicklungen fast immer irgendwelche ökonomischen Bedingungen mitwirkend im Spiele sind. Sehr häufig eine ökonomisch bedingte Entstehung neuer Klassen, sei es nun plutokratischen oder kleinbürgerlichen oder proletarischen Charakters, welche eine politische Macht, sei diese nun legitimen oder cäsaristischen Gepräges, zu Hilfe oder auch erst ins Leben rufen oder zurückrufen, um durch ihre Hilfe ökonomische oder soziale Vorteile zu erlangen. Allein auf der anderen Seite sind ebenso möglich und historisch bezeugt die Fälle, in welchen die Initiative »von oben« her kam und rein politischer Natur war, aus politischen, namentlich auch außenpolitischen, Konstellationen ihren Vorteil zog und sich der gegebenen wirtschaftlichen und sozialen Gegensätze und Klasseninteressen nur als eines Mittels für ihren eigenen rein politischen Machtzweck bediente, sie zu diesem Behuf aus ihrem, fast stets labilen, Gleichgewicht warf und ihre latenten Interessengegensätze zum Kampfe aufrief. Etwas Allgemeines darüber auszusagen, scheint kaum möglich. — Maß und Art des Weges, auf dem ökonomische Momente mitgewirkt haben, ist sehr verschieden, ebenso aber auch die Art des Einflusses der politischen Machtbeziehungen. In der hellenischen Antike war der Übergang zum disziplinierten Hoplitenkampf und weiterhin in Athen die steigende Bedeutung der Flotte die Grundlage für die Eroberung der politischen Macht durch diejenigen Volksschichten, auf deren Schultern jeweils die Heereslast ruhte. Schon in Rom aber erschütterte die gleiche Entwicklung die Honoratiorenherrschaft des Amtsadels nur zeitweilig und scheinbar. Das moderne Massenheer vollends ist zwar überall das Mittel gewesen, die Honoratiorenmacht zu brechen, ist aber selbst in keiner Art ein Hebel aktiver, sondern lediglich passiver Demokratisierung geblieben. Dabei spielt allerdings mit, daß das antike Bürgerheer ökonomisch auf Selbstequipierung, das moderne auf bürokratischer Bedarfsdeckung ruhte.
Daß das Vordringen der bürokratischen Struktur auf ihrer »technischen« Überlegenheit beruhte, führt,
wie auf dem ganzen Gebiet der Technik, so auch hier dazu: daß dieser Vormarsch gerade da am
langsamsten sich vollzog, wo ältere Strukturformen in einer ihrerseits besonders entwickelten technischen
Angepaßtheit an die bestehenden Bedürfnisse funktionierten. Dies war z.B. so bei der
Honoratiorenverwaltung in England, welche daher am langsamsten von allen der Bürokratisierung erlegen
oder zum Teil zu erliegen erst im Begriff ist. Dies ist die gleiche Erscheinung, wie etwa die, daß eine hoch
und mit großen stehenden Kapitalien entwickelte Gasbeleuchtung oder Dampfeisenbahn stärkere
Hemmnisse der Elektrisierung bieten, als Gebiete, die als völliges Neuland dafür erschlossen werden. —
Eine einmal voll durchgeführte Bürokratie gehört zu den am schwersten zu zertrümmernden sozialen Gebilden. Die Bürokratisierung ist das spezifische Mittel, »Gemeinschaftshandeln« in rational geordnetes »Gesellschaftshandeln« zu überführen.  Als Instrument der »Vergesellschaftung« der Herrschaftsbeziehungen war und ist sie daher ein Machtmittel allerersten Ranges für den, der über den bürokratischen Apparat verfügt. Denn unter sonst gleichen Chancen ist planvoll geordnetes und geleitetes » Gesellschaftshandeln« jedem widerstrebenden »Massen«- oder auch »Gemeinschaftshandeln« überlegen. Wo die Bürokratisierung der Verwaltung einmal restlos durchgeführt ist, da ist eine praktisch so gut wie unzerbrechliche Form der Herrschaftsbeziehungen geschaffen. Der einzelne Beamte kann sich dem Apparat, in den er eingespannt ist, nicht entwinden. Der Berufsbeamte ist, im Gegensatz zum ehren- und nebenamtlich verwaltenden »Honoratioren«, mit seiner ganzen materiellen und ideellen Existenz an seine Tätigkeit gekettet. Er ist — der weit überwiegenden Mehrzahl nach — nur ein einzelnes, mit spezialisierten Aufgaben betrautes, Glied in einem nur von der höchsten Spitze her, nicht aber (normalerweise) von seiner Seite, zur Bewegung oder zum Stillstand zu veranlassender, rastlos weiterlaufender Mechanismus, der ihm eine im wesentlichen gebundene Marschroute vorschreibt. Und er ist durch all dies vor allem festgeschmiedet an die Interessengemeinschaft aller in diesen Mechanismus eingegliederten Funktionäre daran, daß dieser weiterfunktioniere und die vergesellschaftet ausgeübte Herrschaft fortbestehe. Die Beherrschten ihrerseits ferner können einen einmal bestehenden bürokratischen Herrschaftsapparat weder entbehren noch ersetzen, da er auf Fachschulung, arbeitsteiliger Fachspezialisierung und festem Eingestelltsein auf gewohnte und virtuos beherrschte Einzelfunktionen in planvoller Synthese beruht. Stellt er seine Arbeit ein oder wird sie gewaltsam gehemmt, so ist die Folge ein Chaos, zu dessen Bewältigung schwer ein Ersatz aus der Mitte der Beherrschten zu improvisieren ist. Dies gilt ganz ebenso auf dem Gebiet der öffentlichen wie der privatwirtschaftlichen Verwaltung. Die Gebundenheit des materiellen Schicksals der Masse an das stetige korrekte Funktionieren der zunehmend bürokratisch geordneten privatkapitalistischen Organisationen nimmt stetig zu, und der Gedanke an die Möglichkeit ihrer Ausschaltung wird dadurch immer utopischer. Die »Akten« einerseits und andererseits die Beamtendisziplin, d.h. Eingestelltheit der Beamten auf präzisen Gehorsam innerhalb ihrer gewohnten Tätigkeit werden damit im öffentlichen wie privaten Betrieb zunehmend die Grundlage aller Ordnung. Vor allem aber — so praktisch wichtig die Aktenmäßigkeit der Verwaltung ist — die »Disziplin«. Der naive Gedanke des Bakuninismus:
durch Vernichtung der Akten zugleich die Basis der »erworbenen Rechte« und die »Herrschaft« vernichten zu können, vergißt, daß unabhängig von den Akten die Eingestelltheit der Menschen auf die Innehaltung der gewohnten Normen und Reglements fortbesteht. Jede Neuordnung geschlagener und aufgelöster Truppenformationen und ebenso jede Herstellung einer durch Revolten, Panik oder andere Katastrophen zerstörten Verwaltungsordnung vollzieht sich durch einen Appell an jene bei den Beamten einerseits, den Beherrschten andererseits gezüchtete Eingestelltheit auf das gehorsame Sichfügen in jene Ordnungen, der, wenn er Erfolg hat, den gestörten Mechanismus sozusagen wieder zum »Einschnappen« bringt. Die objektive Unentbehrlichkeit des einmal bestehenden Apparats in Verbindung mit der ihm eigenen »Unpersönlichkeit« bringt es andererseits mit sich, daß er — im Gegensatz zu den feudalen, auf persönlicher Pietät ruhenden Ordnungen — sich sehr leicht bereit findet, für jeden zu arbeiten, der sich der Herrschaft über ihn einmal zu bemächtigen gewußt hat. Ein rational geordnetes Beamtensystem funktioniert, wenn der Feind das Gebiet besetzt, in dessen Hand unter Wechsel lediglich der obersten Spitzen tadellos weiter, weil es im Lebensinteresse aller Beteiligten, einschließlich vor allem des Feindes selbst, liegt, daß dies geschehe. Nachdem Bismarck im Laufe langjähriger Herrschaft seine Ministerkollegen durch Eliminierung aller selbständigen Staatsmänner in bedingungslose bürokratische Abhängigkeit von sich gebracht hatte, mußte er bei seinem Rücktritt zu seiner Überraschung erleben, daß diese ihres Amts unbekümmert und unverdrossen weiter walteten, als sei nicht der geniale Herr und Schöpfer dieser Kreaturen, sondern eine beliebige Einzelfigur im bürokratischen Mechanismus gegen eine andere ausgewechselt worden. Unter allem Wechsel der Herren in Frankreich seit der Zeit des ersten Kaiserreichs blieb der Herrschaftsapparat im wesentlichen derselbe. Indem dieser Apparat, wo immer er über die modernen Nachrichten- und Verkehrsmittel (Telegraph) verfügt, eine »Revolution« im Sinn der gewaltsamen Schaffung ganz neuer Herrschaftsbildungen rein technisch und auch durch seine innere durchrationalisierte Struktur zunehmend zur Unmöglichkeit macht, hat er — wie in klassischer Weise Frankreich demonstriert — an die Stelle der »Revolutionen« die »Staatsstreiche« gesetzt, — denn alle gelingenden Umwälzungen liefen dort auf solche hinaus. —
Es ist klar, daß die bürokratische Organisation eines sozialen, insbesondere eines politischen, Gebildes ihrerseits weitgehende wirtschaftliche Folgen haben kann und regelmäßig hat.  Welche? — Das hängt naturgemäß von der ökonomischen und sozialen Machtverteilung im Einzelfall und speziell von dem Gebiet ab, welches der entstehende bürokratische Mechanismus okkupiert, von der Richtung also, welche ihm die Mächte, welche sich seiner bedienen, weisen.  Sehr häufig ist eine krypto-plutokratische Machtverteilung das Ergebnis gewesen. Hinter den bürokratischen Parteiorganisationen in England und namentlich in Amerika stehen regelmäßig Parteimäzenaten, welche sie finanzieren und dadurch weitgehend zu beeinflussen vermochten.  Das Mäzenatentum z.B. der Brauereien in England, der sog. schweren Industrie mit ihrem Wahlfonds und des Hansabundes mit dem seinigen in Deutschland sind bekannt genug. Auch die Bürokratisierung und soziale Nivellierung innerhalb politischer, insbesondere staatlicher Gebilde, verbunden mit der Sprengung der lokalen und feudalen, ihr entgegenstehenden Privilegien, ist in der Neuzeit sehr häufig den Interessen des Kapitalismus zugute gekommen, oft direkt im Bund mit ihm vollzogen worden. So bei dem großen historischen Bündnis der absoluten Fürstenmacht mit den kapitalistischen Interessen. Denn im allgemeinen pflegt eine rechtliche Nivellierung und die Sprengung fest gefügter lokaler, von Honoratioren beherrschter Gebilde den Bewegungsspielraum des Kapitalismus zu erweitern. Auf der anderen Seite ist aber auch eine dem kleinbürgerlichen Interesse an der gesicherten traditionellen »Nahrung« entgegenkommende, oder auch eine staatssozialistische, die privaten Gewinnchancen einschnürende, Wirkung der Bürokratisierung in verschiedenen geschichtlich weittragenden Fällen, speziell in der Antike, zweifellos und vielleicht auch bei uns als Zukunftsentwicklung zu erwarten. Die sehr verschiedene Wirkung einer im Prinzip wenigstens sehr ähnlichen politischen Organisation in Ägypten unter den Pharaonen, dann in hellenistischer, dann in römischer Zeit zeigt die sehr verschiedenen Möglichkeiten der ökonomischen Bedeutung der Bürokratisierung je nach der Richtung der sonst vorhandenen Komponenten. Die bloße Tatsache der bürokratischen Organisation allein sagt über die konkrete Richtung ihrer stets irgendwie vorhandenen wirtschaftlichen Wirkung noch nichts Eindeutiges aus, jedenfalls nicht soviel, wie sich über ihre soziale , mindestens relativ nivellierende Wirkung aussagen läßt. Und auch in dieser Hinsicht ist zu bedenken, daß die Bürokratie, rein an sich, ein Präzisionsinstrument ist, welches sehr verschiedenen, sowohl rein politischen wie rein ökonomischen, wie irgendwelchen anderen Herrschaftsinteressen sich zur Verfügung stellen kann. Daher darf auch das Maß ihres Parallelgehens mit der Demokratisierung, so typisch sie ist, nicht übertrieben werden. Auch feudale Herrenschichten haben jenes Instrument unter Umständen in ihren Dienst genommen, und es ist auch die Möglichkeit gegeben und vielfach, so im römischen Prinzipat und auch in manchen der Form nach absolutistischen Staatenbildungen Tatsache geworden, daß eine Bürokratisierung der Verwaltung mit Stände bildungen absichtsvoll verbunden oder durch die Gewalt der bestehenden sozialen Machtgruppierungen verquickt wurde. Ausdrückliche Vorbehalte von Ämtern für bestimmte Stände sind sehr häufig, faktische noch mehr. Die, sei es wirkliche, sei es vielleicht nur formale, Demokratisierung der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit im modernen Sinn des Worts ist zwar ein besonders günstiger, aber durchaus nicht der einzig mögliche Boden für Bürokratisierungserscheinungen überhaupt, welche ja nur die Nivellierung der ihnen auf dem Gebiete, das sie im Einzelfall zu okkupieren trachten, im Wege stehenden Gewalten anstreben. Und sehr zu beachten ist die uns schon mehrfach begegnete und auch weiterhin noch wiederholt zu erörternde Tatsache: daß die »Demokratie« als solche trotz und wegen ihrer unvermeidlichen aber ungewollten Förderung der Bürokratisierung Gegnerin der »Herrschaft« der Bürokratie ist und als solche unter Umständen sehr fühlbare Durchbrechungen und Hemmungen der bürokratischen Organisation schafft. Stets ist also der einzelne historische Fall daraufhin zu betrachten, in welcher speziellen Richtung gerade bei ihm die Bürokratisierung verlief. —
Es soll daher hier auch unentschieden bleiben, ob gerade die modernen Staaten, deren Bürokratisierung überall fortschreitet, dabei auch ausnahmslos eine universelle Zunahme der Macht der Bürokratie innerhalb des Staatswesens aufweisen. Die Tatsache, daß die bürokratische Organisation das technisch höchstentwickelte Machtmittel in der Hand dessen ist, der über sie verfügt, besagt noch nichts darüber: welchen Nachdruck die Bürokratie als solche ihren Auffassungen innerhalb des betreffenden sozialen Gebildes zu verschaffen vermag. Und auch die stets zunehmende »Unentbehrlichkeit« des zu Millionenziffern angeschwollenen Beamtentums entscheidet darüber ebensowenig, wie z.B. — nach der Ansicht mancher Vertreter der proletarischen Bewegung — die ökonomische Unentbehrlichkeit der Proletarier das Maß ihrer sozialen oder politischen Machtstellung bestimmt: bei vorherrschender Sklavenarbeit hätte ja sonst, da die Freien unter solchen Bedingungen die Arbeit als entehrend zu scheuen pflegen, die mindestens ebenso »unentbehrliche« Sklavenschaft jene Machtstellung einnehmen müssen. Ob die Macht der Bürokratie als solcher zunimmt, ist also a priori aus solchen Gründen nicht zu entscheiden. Die Zuziehung von Interessenten oder von anderen fachkundigen Nichtbeamten oder umgekehrt von fachfremden Laienvertretern, die Schaffung beschließender lokaler oder interlokaler oder zentraler parlamentarischer oder anderer repräsentativer oder berufsständischer Organe scheint dem ja direkt entgegenzulaufen. Inwieweit dieser Schein Wahrheit ist, gehört im einzelnen in ein anderes Kapitel als in diese rein formale und kasuistische Erörterung. Hier kann allgemein nur etwa folgendes gesagt werden:
Stets ist die Machtstellung der vollentwickelten Bürokratie eine sehr große, unter normalen Verhältnissen eine überragende. Einerlei, ob der »Herr«, dem sie dient, ein mit der Waffe der »Gesetzesinitiative«, des »Referendums« und der Beamtenabsetzung ausgerüstetes »Volk«, ein mit dem Recht oder der faktischen Maßgeblichkeit des »Mißtrauensvotums« ausgerüstetes, nach mehr aristokratischer oder mehr »demokratischer« Basis gewähltes Parlament oder ein rechtlich oder faktisch sich selbst ergänzendes aristokratisches Kollegium oder ein vom Volk gewählter Präsident oder ein erblicher »absoluter« oder »konstitutioneller« Monarch ist, — stets befindet er sich den im Betrieb der Verwaltung stehenden geschulten Beamten gegenüber in der Lage des »Dilettanten« gegenüber dem »Fachmann«. Diese Überlegenheit des berufsmäßig Wissenden sucht jede Bürokratie noch durch das Mittel der Geheimhaltung ihrer Kenntnisse und Absichten zu steigern. Bürokratische Verwaltung ist ihrer Tendenz nach stets Verwaltung mit Ausschluß der Öffentlichkeit. Die Bürokratie verbirgt ihr Wissen und Tun vor der Kritik, soweit sie irgend kann. Preußische Kirchenbehörden drohen jetzt für den Fall, daß ihre an die Pfarrer gerichteten Verweise oder andere Maßregelungen von diesen überhaupt irgendwie Dritten zugänglich gemacht werden, Disziplinarmaßregeln an, weil dadurch die Möglichkeit einer Kritik an ihnen »verschuldet« werde. Die Rechnungsbeamten des persischen Schah machten aus der Etatisierungskunst direkt eine Geheimlehre und bedienten sich einer Geheimschrift. Die preußische amtliche Statistik publiziert im allgemeinen nur, was den Absichten der machthabenden Bürokratie nicht schädlich sein kann. Die Tendenz zur Sekretierung folgt auf bestimmten Verwaltungsgebieten aus deren sachlicher Natur: überall da nämlich, wo es sich um die Machtinteressen des betreffenden Herrschaftsgebildes nach außen handelt: sei es gegenüber ökonomischen Konkurrenten eines Privatbetriebs, sei es, bei politischen Gebilden, um fremde, potentiell feindliche politische Gebilde. Der Betrieb der Diplomatie kann nur in sehr beschränktem Sinn und Maß ein öffentlich kontrollierter sein, wenn er Erfolg zeitigen soll. Die Militärverwaltung muß, mit Zunahme der Bedeutung des rein Technischen, zunehmend auf Sekretierung ihrer wichtigsten Maßregeln halten. Die politischen Parteien verfahren nicht anders, und zwar trotz aller ostensiblen Öffentlichkeit der Katholikentage und Parteikongresse zunehmend mit zunehmender Bürokratisierung des Parteibetriebs. Die Handelspolitik führt z.B. in Deutschland zur Sekretierung der Produktionsstatistik. Jede Kampfstellung sozialer Gebilde nach außen wirkt eben immer, rein als solche, im Sinn der Stärkung der Position der in der Macht befindlichen Gewalten. Allein weit über diese Gebiete rein sachlich motivierter Geheimhaltung wirkt das reine Machtinteresse der Bürokratie als solches. Der Begriff des »Amtsgeheimnisses« ist ihre spezifische Erfindung und nichts wird von ihr mit solchem Fanatismus verteidigt wie eben diese, außerhalb jener spezifisch qualifizierten Gebiete rein sachlich nicht motivierbare, Attitude. Steht die Bürokratie einem Parlament gegenüber, so kämpft sie aus sicherem Machtinstinkt gegen jeden Versuch desselben, durch eigene Mittel (z.B. das sog. »Enquêterecht«) sich Fachkenntnisse von den Interessenten zu verschaffen: ein schlecht informiertes und daher machtloses Parlament ist der Bürokratie naturgemäß willkommener, — soweit jene Unwissenheit irgendwie mit ihren eigenen Interessen verträglich ist. Auch der absolute Monarch und in gewissem Sinne gerade er am meisten ist der überlegenen bürokratischen Fachkenntnis gegenüber machtlos. Alle zornigen Verfügungen Friedrich des Großen über die »Abschaffung der Leibeigenschaft« entgleisten, sozusagen, auf dem Wege zur Realisierung, weil der Amtsmechanismus sie einfach als dilettantische Gelegenheitseinfälle ignorierte. Der konstitutionelle König hat, wo immer er sich in Übereinstimmung mit einem sozial gewichtigen Teil der Beherrschten befindet, sehr oft einen bedeutenderen Einfluß auf den, infolge der wenigstens relativen Öffentlichkeit der Kritik an der Verwaltung auch für ihn kontrollierbareren, Gang derselben als der absolute Monarch, der auf die Informationen durch die Bürokratie selbst allein angewiesen ist. Der russische Zar des alten Regimes war selten imstande, das geringste dauernd durchzusetzen, was seiner Bürokratie mißfiel und gegen deren Machtinteressen verstieß. Seine ihm als Selbstherrscher direkt unterstellten Ministerien bildeten, wie Leroy-Beaulieu bereits sehr zutreffend bemerkt hat, ein Konglomerat von Satrapien, die sich untereinander mit allen Mitteln persönlicher Intrigue bekämpften, insbesondere fortwährend mit voluminösen »Denkschriften« bombardierten, denen gegenüber der Monarch als Dilettant hilflos war. Die mit jedem Übergang zum Konstitutionalismus unvermeidliche Konzentration der Macht der Zentralbürokratie in einer Hand: ihre Unterstellung unter eine monokratische Spitze: den Ministerpräsidenten, durch dessen Hände alles gehen muß, was an den Monarchen gelangt, stellt diesen letzteren weitgehend unter die Vormundschaft des Chefs der Bürokratie, wogegen Wilhelm II. in seinem bekannten Konflikt mit Bismarck ankämpfte, um sehr bald seinen Angriff auf jenes Prinzip zurücknehmen zu müssen. Unter der Herrschaft des Fachwissens kann eben der reale Einfluß des Monarchen Stetigkeit nur noch erlangen durch den stetigen, von der zentralen Spitze der Bürokratie planvoll geleiteten Verkehr mit den Chefs der letzteren. Zugleich bindet der Konstitutionalismus die Bürokratie und den Herrscher in Interessengemeinschaft gegen das Machtstreben der Parteichefs in den Parlamenten aneinander. Gegen die Bürokratie aber ist der konstitutionelle Monarch eben deshalb machtlos, wenn er keine Stütze im Parlament findet. Der Abfall der »Großen des Reichs«: der preußischen Minister und höchsten Reichsbeamten, hat noch im November 1918 in Deutschland einen Monarchen in annähernd die gleiche Lage gebracht, wie der auf dem Boden des Lehensstaates entsprechende Vorgang im Jahre 1056. Indessen ist dies immerhin Ausnahme. Denn die Machtstellung des Monarchen ist gegenüber bürokratischen Beamten, angesichts der stets vorhandenen avancementslustigen Anwärter, durch die er unbequeme unabhängige Beamte leicht ersetzen kann, im ganzen doch weit stärker als im Feudalstaat und auch im »stereotypierten« Patrimonialstaat. Nur ökonomisch unabhängige, d.h. besitzenden Schichten angehörige Beamte können sich, unter sonst gleichen Umständen, gestatten, den Verlust des Amts zu riskieren: Rekrutierung von besitzlosen Schichten steigert heute wie von jeher die Macht der Herren. Und nur Beamte, welche einer sozial einflußreichen Schicht angehören, mit der der Monarch als Stütze seiner Person rechnen zu müssen glaubt (wie in Preußen die sog.  »Kanalrebellen«), können seinen Willen dauernd inhaltlich gänzlich paralysieren.  Überlegen ist der Sachkenntnis der Bürokratie nur die Sachkenntnis der privatwirtschaftlichen Interessenten auf dem Gebiet der »Wirtschaft«. Diese deshalb, weil für sie die genaue Tatsachenkenntnis auf ihrem Gebiet direkt wirtschaftliche Existenzfrage ist:
Irrtümer in einer amtlichen Statistik haben für den schuldigen Beamten keine direkten wirtschaftlichen Folgen, — Irrtümer in der Kalkulation eines kapitalistischen Betriebes kosten diesem Verluste, vielleicht den Bestand. Und auch das »Geheimnis« als Machtmittel ist im Hauptbuch eines Unternehmers immerhin noch sicherer geborgen als in den Akten der Behörden. Schon deshalb ist die behördliche Beeinflussung des Wirtschaftslebens im kapitalistischen Zeitalter an so enge Schranken gebunden und entgleisen die Maßregeln des Staats auf diesem Gebiete so oft in unvorhergesehene und unbeabsichtigte Bahnen oder werden durch die überlegene Sachkenntnis der Interessenten illusorisch gemacht. —
Weil spezialisierte Fachkenntnis in zunehmendem Maße Grundlage der Machtstellung der Amtsträger
wird, so war die Art, wie man das Fachwissen verwerten und dabei doch nicht zu dessen Gunsten
abdanken, sondern die eigene Herrenstellung wahren könne, schon früh Gegenstand der Sorge des
»Herrn«. Mit zunehmendem qualitativen Umsichgreifen der Verwaltungsaufgaben und damit der
Unentbehrlichkeit des Fachwissens, tritt daher in sehr typischer Art die Erscheinung auf, daß der Herr mit
der gelegentlichen Konsultation einzelner bewährter Vertrauensleute oder auch einer intermittierend in
schwierigen Lagen zusammenberufenen Versammlung von solchen nicht mehr auskommt und sich nun —
die »Räte von Haus aus« sind eine charakteristische Übergangserscheinung dazu — mit ständig
tagenden k o l l e g i a l beratenden und beschließenden Körperschaften umgibt (Conseil d’Etat, Privy
Council, Generaldirektorium, Kabinett, Diwan, Tsungli-Yamen, Weiwupu usw.). Ihre Stellung ist
naturgemäß höchst verschieden, je nachdem sie selbst die höchste Verwaltungsbehörde werden oder
neben ihnen eine monokratische Zentralinstanz oder mehrere solche stehen, und außerdem je nach ihrem
Verfahren — bei voll entwickeltem Typus tagen sie dem Grundsatz oder der Fiktion nach unter seinem
Vorsitz — und es werden alle wichtigen Angelegenheiten, nach allseitiger Beleuchtung durch Referate
und Korreferate der betreffenden Fachmänner und motivierte Vota anderer Mitglieder, mittelst Beschluß
erledigt, den dann eine Verfügung des Herrn sanktioniert oder verwirft. Diese Art von kollegialen
Behörden sind also die typische Form, in welcher der Herrscher, der zunehmend »Dilettant« wird, zugleich
Fachwissen verwertet und sich — was oft unbeachtet bleibt — der steigenden Übermacht des
Fachwissens zu erwehren und ihm gegenüber in seiner Herrenstellung zu behaupten trachtet. Er hält
einen Fachmann durch andere im Schach und sucht sich durch jenes umständliche Verfahren selbst ein
umfassendes Bild und die Gewißheit zu verschaffen, daß ihm nicht willkürliche Entscheidungen souffliert
werden. Er erwartet die Garantie für ein Maximum von eigenem Einfluß dabei oft weniger von seinem
persönlichen Vorsitz als von den schriftlichen, ihm vorliegenden Voten. Friedrich Wilhelm I., dessen
tatsächlicher Einfluß auf die Verwaltung sehr bedeutend war, wohnte den streng kollegial geordneten
Ministerialsitzungen fast nie persönlich bei, sondern gab seine Bescheide auf die schriftlichen Vorträge
durch
Randbemerkungen oder Erlasse, welche den Ministern durch den Feldjäger aus dem »Kabinett«, nach
Beratung mit den diesem angehörigen, den Herrn ganz persönlich attachierten Bediensteten, zugestellt
wurden. Das Kabinett, gegen welches sich der Haß der Fachbürokratie ebenso wie, im Fall von
Mißerfolgen, das Mißtrauen der Beherrschten wendet, entwickelte sich so, in gleicher Art in Rußland wie
in Preußen und anderen Staaten, als die persönliche Festung, in welche sich gewissermaßen der Herrscher gegenüber dem Fachwissen und der »Versachlichung« der Verwaltung flüchtete.
Durch das Kollegialitätsprinzip versucht der Herr ferner eine Art von Synthese der
Fachs p e z i a l i s t e n zu einer kollektiven Einheit. Mit welchem Erfolg, ist nicht allgemein auszumachen.
Die Erscheinung selbst ist sehr verschiedenen Staatsformen gemeinsam, vom Patrimonial- und
Lehensstaat bis zum Frühbürokratismus. Vor allem aber ist sie dem entstehenden Fürstenabsolutismus
typisch. Sie war eines der stärksten Erziehungsmittel für die »Sachlichkeit« der Verwaltung. Sie gestattete
auch, durch Beiziehung sozial einflußreicher Privatleute, ein gewisses Maß von Honoratiorenautorität
und privatwirtschaftlicher Sachkunde mit der Fachkenntnis der Berufsbeamten zu verbinden. Die
kollegialen Instanzen waren eine der ersten Institutionen, welche den modernen Begriff einer »Behörde«
als eines von der Person unabhängig perennierenden Gebildes überhaupt zur Entwicklung gelangen ließen.
Solange Fachkenntnis in Verwaltungsangelegenheiten ausschließlich Produkt langer e m p i r i s c h e r
Übung und die Normen der Verwaltung nicht Reglement, sondern Bestandteile der Tradition waren, war in
typischer Art der Rat der A l t e n , oft unter Beteiligung der Priester, der »alten Staatsmänner« und der
Honoratioren die adäquate Form solcher, den Herrn zunächst nur beratenden Instanzen, die aber dann oft,
weil sie gegenüber den wechselnden Herrschern perennierende Gebilde waren, die wirkliche Macht an
sich rissen. So der römische Senat und der venezianische Rat, ebenso der athenische Areopag bis zu
seiner Niederwerfung zugunsten der Herrschaft des »Demagogos«. Aber von solchen Instanzen sind
natürlich die hier in Rede stehenden, auf dem Boden rationaler F a c h spezialisierung und der Herrschaft
des Fachwissens entstehenden Körperschaften trotz vielfacher Übergänge dennoch als Typus scharf zu
scheiden. Zu unterscheiden sind sie andrerseits von den im modernen Staat häufigen, aus privaten
I n t e r e s s e n t e n kreisen ausgelesenen Beratungskörperschaften, bei denen nicht Beamte oder
gewesene Beamte den Kern bilden. Zu unterscheiden sind sie soziologisch endlich auch von den in
heutigen privatwirtschaftlichen bürokratischen Gebilden (Aktiengesellschaften) sich findenden
kollegialen Kontrollinstanzen (Aufsichtsrat), obwohl diese nicht selten durch Zuziehung von
Honoratioren aus Nichtinteressiertenkreisen sich ergänzen, sei es um deren Sachkenntnis willen, sei es als
Repräsentations- und Reklamemittel. Denn normalerweise vereinigen diese Gebilde nicht Träger speziellen
Fachwissens, sondern die ausschlaggebenden ökonomischen Hauptinteressenten, namentlich die
geldgebenden Banken des Unternehmens als solche in sich und haben keineswegs nur beratende,
sondern mindestens kontrollierende, sehr häufig aber tatsächlich die herrschende Stellung inne. Sie sind
eher (aber auch nicht ohne Gewaltsamkeit) den Versammlungen der großen selbständigen Lehens- und
Amtsträger und anderer sozial mächtiger Interessenten patrimonialer oder feudaler politischer Gebilde zu
vergleichen, welche zuweilen allerdings die Vorläufer der, als Folge zunehmender Verwaltungsintensität
entstehenden »Räte«, noch öfter aber Vorläufer ständischer Körperschaften gewesen sind.
Von der Zentralinstanz übertrug sich jenes bürokratische Kollegialitätsprinzip sehr regelmäßig auf die
verschiedensten Unterinstanzen. Innerhalb lokal geschlossener namentlich städtischer Einheiten ist, wie
einleitend bemerkt, kollegiale Verwaltung urwüchsig als Form der H o n o r a t i o r e n herrschaft (durch
ursprünglich gewählte, später meist mindestens teilweise kooptierte »Räte«, »Magistrats-«,
»Dekurionen-« und »Schöffenkollegien«) zu Hause. Sie sind daher normaler Bestandteil der Organisation
der »Selbstverwaltung«, d.h. der Erledigung von Verwaltungsaufgaben durch lokale Interessenten unter
Kontrolle bürokratischer staatlicher Instanzen. Die erwähnten Beispiele des venezianischen Rats und
noch mehr des römischen Senats sind Übertragung der normalerweise auf dem Boden lokaler politischer
Verbände heimischen Form der Honoratiorenherrschaft auf große Überseereiche. Innerhalb des
bürokratischen Staats schwindet die Kollegienverwaltung wieder, sobald mit Fortschreiten der
Verkehrsmittel und der technischen Anforderungen an die Verwaltung die Notwendigkeit rascher und
eindeutiger Entschließungen und die anderen schon erörterten, zur Vollbürokratie und Monokratie
drängenden Motive beherrschend in den Vordergrund treten. Vor allem aber schwindet sie, sobald die
Entwicklung parlamentarischer Institutionen und, meist zugleich damit, die Zunahme und Öffentlichkeit
der Kritik von außen her die geschlossene Einheitlichkeit in der Leitung der Verwaltung als
das, vom Standpunkt der Herreninteressen aus, gegenüber der Gründlichkeit in der Vorbereitung ihrer
Entschließungen wichtigere Element erscheinen läßt. Das durchrationalisierte Fachminister- und
Präfektensystem Frankreichs hat unter diesen modernen Bedingungen bedeutende Chancen, die alten
Formen überall zurückzudrängen, vermutlich ergänzt durch die schon erwähnte, immer häufiger werdende
und allmählich auch formal geordnete, Zuziehung von beratenden Gremien der Interessenten aus den
ökonomisch und sozial einflußreichsten Schichten. Diese letztere Entwicklung speziell, welche die
konkrete Sachkenntnis der Interessenten in den Dienst der rationalen Verwaltung fachgebildeter Beamter
zu stellen sucht, hat sicherlich eine bedeutende Zukunft und steigert die Macht der Bürokratie noch
weiter. Es ist bekannt, wie Bismarck den Plan eines »Volkswirtschaftsrats« als Machtmittel gegen das
Parlament auszuspielen suchte und dabei der ablehnenden Mehrheit — der er das Enquêterecht nach Art
des englischen Parlaments nie gewährt hätte — seinerseits vorwarf: sie suche im Interesse der
Parlamentsmacht das Beamtentum davor zu bewahren, daß es »zu klug« werde. Welche Stellung auf
diesem Wege künftig den Interessentenverbänden als solchen noch innerhalb der Verwaltung beschieden sein kann, gehört im übrigen nicht in diesen Zusammenhang.
Erst die Bürokratisierung von Staat und Recht sieht im allgemeinen auch die endgültige Möglichkeit
scharfer begrifflicher Scheidung einer »objektiven« Rechtsordnung von durch sie garantierten
»subjektiven« Rechten der Einzelnen, und ebenso die Scheidung des »öffentlichen«, die Beziehungen
von Behörden zueinander und zu den »Untertanen« betreffenden Rechts, von »Privatrecht«, welches die
Beziehungen der beherrschten Einzelnen untereinander regelt. Sie setzt die begriffliche Scheidung des
»Staates« als eines abstrakten Trägers von Herrenrechten und Schöpfers der »Rechtsnormen« von allen
persönlichen »Befugnissen« Einzelner voraus, — Vorstellungsformen, welche dem Wesen der
vorbürokratischen, speziell der patrimonialen und feudalen Herrschaftsstruktur noch fernliegen mußten.
Zuerst vollziehbar und vollzogen wurde diese Vorstellung auf dem Boden städtischer Gemeinden, sobald
diese ihre Amtsträger durch periodische Wahl bestellten, und nun der Einzelne die Herrschaft, auch die
oberste, jeweilig »ausübende« Träger der Gewalt offensichtlich nicht mehr identisch war mit dem die
Herrschaft als »Eigenrecht« Besitzenden. Aber erst die völlige Entpersönlichung der Amtsführung in der
Bürokratie und die rationale Systematisierung des Rechts führten jene Scheidung prinzipiell durch.  Nicht analysiert werden können hier die weittragenden allgemeinen Kulturwirkungen, welche das Vordringen der rationalen bürokratischen Herrschaftsstruktur rein als solcher und ganz unabhängig von dem Gebiet, welches sie ergreift, entfaltet. Sie steht natürlich im Dienste des Vordringens des »Rationalismus« der Lebensgestaltung. Aber dieser Begriff läßt sehr verschiedenartige Inhalte zu. Ganz allgemein läßt sich nur sagen: daß die Entwicklung zur rationalen »Sachlichkeit«, zum »Berufs«- und »Fachmenschentum« mit allen ihren weitverzweigten Wirkungen durch die Bürokratisierung aller Herrschaft sehr stark gefördert wird. Es kann nur ein wichtiger Bestandteil dieses Prozesses hier kurz angedeutet werden: die Wirkung auf die Art der Erziehung und Bildung. Unsere kontinentalen, okzidentalen Erziehungsanstalten, speziell die höheren: Universitäten, technische Hochschulen, Handelshochschulen, Gymnasien und andere Mittelschulen, stehen unter dem beherrschenden Einfluß des Bedürfnisses nach jener Art von »Bildung«, welche das für den modernen Bürokratismus zunehmend unentbehrliche Fachprüfungswesen züchtet: der Fachschulung. Die »Fachprüfung« im heutigen Sinn fand und findet sich auch außerhalb eigentlich bürokratischer Gebilde, so heut für die »freien« Berufe des Arztes und Anwalts und in den zünftig organisierten Gewerben. Sie ist auch nicht unentbehrliche Begleiterscheinung der Bürokratisierung: die französische, englische, amerikanische Bürokratie haben ihrer lange in starkem Maß oder ganz entbehrt: die Schulung und Leistung im Parteibetrieb ersetzte sie. Die »Demokratie« steht auch der Fachprüfung, wie allen Erscheinungen der von ihr selbst geförderten Bürokratisierung in zwiespältiger Stellungnahme gegenüber: einerseits bedeutet sie oder scheint sie doch zu bedeuten: »Auslese« der Qualifizierten aus allen sozialen Schichten an Stelle der Honoratiorenherrschaft. Andererseits fürchtet sie von der Prüfung und dem Bildungspatent eine privilegierte »Kaste« und kämpft daher dagegen. Und endlich findet sich die Fachprüfung auch schon in vorbürokratischen oder halbbürokratischen Epochen. Ihr regelmäßiger erster geschichtlicher Standort sind präbendal organisierte Herrschaften. Exspektanzen auf Pfründen, zunächst geistliche — wie im islamischen Orient und im okzidentalen Mittelalter —, dann, wie namentlich in China, auch weltliche, sind der typische Preis, um dessentwillen studiert und examiniert wird. Aber diese Prüfungen haben allerdings nur zum Teil wirklichen »Fach«-Charakter. — Erst die moderne Vollbürokratisierung bringt das rationale, fachmäßige Examenswesen zur unaufhaltsamen Entfaltung. Die civil service reform importiert allmählich die Fachschulung und Fachprüfung nach Amerika und auch in alle anderen Länder dringt sie aus ihrer (in Europa) hauptsächlichen Brutstätte: Deutschland, vor. Die steigende Bürokratisierung der Verwaltung steigert ihre Bedeutung in England, der Versuch des Ersatzes des halbpatrimonialen alten Bürokratismus durch den modernen brachte sie (an Stelle des ganz andersartigen alten Examenswesens) nach China, die Bürokratisierung des Kapitalismus und sein Bedarf nach fachgeschulten Technikern, Kommis usw. trägt sie in alle Welt. Diese Entwicklung wird vor allem durch das soziale Prestige der durch Fachprüfung erworbenen Bildungspatente mächtig gefördert, um so mehr, als dieses seinerseits wieder in ökonomische Vorteile umgesetzt wird. Was die Ahnenprobe als Voraussetzung der Ebenbürtigkeit, Stiftsfähigkeit und, wo immer der Adel sozial mächtig blieb, auch der staatlichen Amtsqualifikation in der Vergangenheit war, wird heute das Bildungspatent. Die Ausgestaltung der Universitäts-, technischen und Handelshochschuldiplome, der Ruf nach Schaffung von Bildungspatenten auf allen Gebieten überhaupt, dienen der Bildung einer privilegierten Schicht in Büro und Kontor. Ihr Besitz stützt den Anspruch auf Konnubium mit den Honoratioren (auch im Kontor werden naturgemäß Vorzugschancen auf die Hand der Töchter der Chefs davon erhofft), auf Zulassung zum Kreise des »Ehrenkodex«, auf »standesgemäße« Bezahlung statt der Entlohnung nach der Leistung, auf gesichertes Avancement und Altersversorgung, vor allem aber auf Monopolisierung der sozial und wirtschaftlich vorteilhaften Stellungen zugunsten der Diplomanwärter. Wenn wir auf allen Gebieten das Verlangen nach der Einführung von geregelten Bildungsgängen und Fachprüfungen laut werden hören, so ist selbstverständlich nicht ein plötzlich erwachender »Bildungsdrang«, sondern das Streben nach Beschränkung des Angebotes für die Stellungen und deren Monopolisierung zugunsten der Besitzer von Bildungspatenten der Grund. Für diese Monopolisierung ist heute die »Prüfung« das universelle Mittel, deshalb ihr unaufhaltsames Vordringen. Und da der zum Erwerb des Bildungspatents erforderliche Bildungsgang erhebliche Kosten und Karenzzeiten verursacht, so bedeutet jenes Streben zugleich die Zurückdrängung der Begabung (des »Charisma«) zugunsten des Besitzes, — denn die »geistigen« Kosten der Bildungspatente sind stets geringe und nehmen mit der Massenhaftigkeit nicht zu sondern ab. Das Erfordernis ritterlicher Lebensführung in der alten Lehensqualifikation wird dabei bei uns durch die Teilnahme an deren heutigen Rudimenten in dem Verbindungswesen der die Bildungspatente erteilenden Hochschulen, in den angelsächsischen Ländern durch das Sport- und Klubwesen ersetzt. Auf der anderen Seite strebt die Bürokratie überall nach der Entwicklung einer Art von »Recht am Amt« durch Schaffung eines geordneten Disziplinarverfahrens, Beseitigung der ganz arbiträren Verfügung der »Vorgesetzten« über den Beamten, sucht ihm seine Stellung, sein geordnetes Aufrücken, seine Versorgung im Alter zu sichern und wird darin durch die »demokratische«, nach Minimisierung der Herrschaft verlangende, Stimmung der Beherrschten unterstützt, welche in jeder Abschwächung der arbiträren Verfügung des Herren über die Beamten eine Schwächung der Herrengewalt selbst erblicken zu können glaubt. Insofern also ist die Bürokratie, und zwar innerhalb der Kaufmannskontore wie im öffentlichen Dienst, ganz ebenso Trägerin einer spezifisch »ständischen« Entwicklung wie die ganz anders gearteten Amtsträger der Vergangenheit. Und es wurde schon früher darauf hingewiesen, daß diese ständischen Qualitäten in ihrer Art zur technischen Brauchbarkeit der Bürokratie für ihre spezifischen Aufgaben mit verwertet zu werden pflegen. Eben gegen diesen unvermeidlichen »ständischen« Charakter reagiert nun aber wiederum das Streben der »Demokratie«, an Stelle der ernannten Beamten die kurzfristige Beamtenwahl und an Stelle des geordneten Disziplinarverfahrens die Beamtenabsetzung durch Volksabstimmung zu setzen, also die arbiträre Verfügung des hierarchisch übergeordneten »Herren« durch die ebenso arbiträre Verfügung der Beherrschten bzw. der sie beherrschenden Parteichefs zu ersetzen.
Das soziale Prestige auf Grund des Genusses einer bestimmten Erziehung und Bildung ist an sich
durchaus nichts dem Bürokratismus Spezifisches. Im Gegenteil. Nur ruht es unter anderen
Herrschaftsstrukturen auf wesentlich anderen inhaltlichen Grundlagen: in der feudalen, theokratischen,
patrimonialen Herrschaftsstruktur, in der englischen Honoratiorenverwaltung, in der altchinesischen
Patrimonialbürokratie, in der Demagogenherrschaft der hellenischen sogenannten Demokratie war Ziel der
Erziehung und Grundlage der sozialen Schätzung, bei aller noch so großen Verschiedenheit dieser Fälle
untereinander, nicht der »Fachmensch«, sondern — schlagwörtlich ausgedrückt — der »kultivierte
Mensch«. Der Ausdruck wird hier gänzlich wertfrei und nur in dem Sinne gebraucht: daß eine Qualität der
Lebensführung, die als »kultiviert« g a l t , Ziel der Erziehung war, nicht aber spezialisierte Fachschulung.
Die, je nachdem, ritterlich oder asketisch oder (wie in China) literarisch oder (wie in Hellas)
gymnastisch-musisch oder zum konventionellen angelsächsischen Gentleman k u l t i v i e r t e
Persönlichkeit war das durch die Struktur der Herrschaft und die sozialen Bedingungen der Zugehörigkeit
zur Herrenschicht geprägte Bildungsideal. Die Qualifikation der Herrenschicht als solcher beruhte auf
einem Mehr von »Kulturqualität« (in dem durchaus wandelbaren wertfreien Sinn, der diesem Begriff hier
beigelegt wurde), nicht von Fachwissen. Das kriegerische, theologische, juristische Fachkönnen wurde
natürlich dabei eingehend gepflegt. Aber im hellenischen wie im mittelalterlichen wie im chinesischen
Bildungsgang bildeten ganz andere als fachmäßig »nützliche« Erziehungselemente den Schwerpunkt.
Hinter allen Erörterungen der Gegenwart um die Grundlagen des Bildungswesens steckt an irgendeiner
entscheidenden Stelle der durch das unaufhaltsame Umsichgreifen der Bürokratisierung aller öffentlichen
und privaten Herrschaftsbeziehungen und durch die stets zunehmende Bedeutung des Fachwissens
bedingte, in alle intimsten Kulturfragen eingehende Kampf des »Fachmenschen«-Typus gegen das alte
»Kulturmenschentum«. —
Die bürokratische Organisation hat bei ihrem Vordringen nicht nur die schon mehrfach erwähnten, wesentlich negativen Hemmungen der für sie erforderlichen Nivellierung zu überwinden gehabt. Sondern mit ihr kreuzten und kreuzen sich Formen der Verwaltungsstruktur, welche auf heterogenen Prinzipien beruhen und teilweise bereits gestreift wurden. Von diesen sind hier nicht etwa alle real existierenden Typen — das würde viel zu weit führen —, aber einige besonders wichtige Strukturprinzipien in möglichst vereinfachtem Schema kurz zu erörtern. Nicht nur, aber stets auch unter der Fragestellung: 1. inwieweit sie ökonomischer Bedingtheit unterliegen oder etwa durch andere, z.B. rein politische, Umstände oder endlich durch eine in ihrer technischen Struktur selbst liegende »Eigengesetzlichkeit« für sie Entwicklungschancen geschaffen werden, und 2. ob und welche spezifischen ökonomischen Wirkungen sie ihrerseits etwa entfalten. Dabei muß natürlich von Anfang an die Flüssigkeit und das Ineinanderübergehen aller dieser Organisationsprinzipien im Auge behalten werden. Ihre »reinen« Typen sind ja lediglich als für die Analyse besonders wertvolle und unentbehrliche Grenzfälle zu betrachten, zwischen welchen sich die fast stets in Mischformen auftretende historische Realität bewegt hat und noch bewegt.
Die bürokratische Struktur ist überall spätes Entwicklungsprodukt. Je weiter wir in der Entwicklung zurückgehen, desto typischer wird für die Herrschaftsformen das Fehlen der Bürokratie und des Beamtentums überhaupt. Die Bürokratie ist »rationalen« Charakters: Regel, Zweck, Mittel, »sachliche« Unpersönlichkeit beherrschen ihr Gebaren. Ihre Entstehung und Ausbreitung hat daher überall in jenem besonderen, noch zu besprechenden Sinne »revolutionär« gewirkt, wie dies der Vormarsch des Rationalismus überhaupt auf allen Gebieten zu tun pflegt. Sie vernichtete dabei Strukturformen der Herrschaft, welche einen, in diesem speziellen Sinn, rationalen Charakter nicht hatten. Wir fragen also: welche diese waren?

1 commento:

  1. Sto cercando una traduzione italiana e una inglese del testo di Weber, che è un classico. Nell’attesa, chi può e vuole leggerà il tedesco. Una importante ripresa dei temi weberiani si trova in ‘White collar’, di C. Wright Mills ['Colletti bianchi], del 1951- datato ma del tutto geniale. (Si legga p.e. la postfazione di Russel Jacoby alla edizione della OUP per il cinquantenario del libro). Aggiungo che il funzionamento della burocrazia, la sua LOGICA, è una parte importante della psichiatria reale.

    RispondiElimina